Mit ‘Nachhaltigkeit’ getaggte Beiträge

Die Frage ist freilich: Hatte diese Geburt wirklich eine Zeitenwende zur Folge? Ist die Welt heute der Vollendung näher als vor 2000 Jahren? Viele Erfolge wurden verbucht. Die Weltgemeinschaft ringt um mehr Gerechtigkeit. Der Hunger wird eingedämmt. Und – wenn auch nicht mit dem gewünschten Erfolg – so ringen die Verantwortlichen doch um einen schonungsvollen Umgang mit der Schöpfung. Aber es gibt noch vieles von der alten Zeit, vom alten Menschen (so Paulus wiederholt). Die Welt leidet unter Gewalt (Terror), Gier (Finanzkrise) und Lüge (Korruption).

So leben wir zwar schon 2000 in einer neuen Zeit. Aber das Alte ist immer noch wirkmächtig und scheint einen vergeblichen Zweikampf mit dem Neuen zu kämpfen. Angst und Liebe ringen miteinander. Jesus setzt an die Stelle der Angst das Vertrauen auf einen „unbeirrbar treuen Gott“ (Dtn 32,4). Damit nimmt er dem Bösen, das aus der Angst wächst, die Wurzeln. Der Mensch, der vertraut, hat Gewalt, Gier und Lüge nicht mehr nötig. Eine Kultur der Liebe in Gerechtigkeit kann aufblühen.

Dies alles hat eine gute Chance, wenn wir nicht der Gefahr erliegen, Jesus nur anzubeten und zu verklären, statt ihm wirklich nachzufolgen. Der zeitgenössische amerikanische Franziskanermystiker Richard Rohr, an den ich mich mit dieser Formulierung anlehne, hat es in einem seiner Vorträge noch viel schärfer und kritischer gesagt. Richard Rohr wörtlich: „Wir haben angefangen, Jesus anzubeten, damit wir ihm nicht nachfolgen müssen.“ Ihm nachzufolgen: das wäre die wahre Chance der heute gefeierten Zeitenwende der Geburt Jesu.

 Quelle
Paul Zulehner ist österreichischer Theologe und Religionssoziologe.

Ein Freund von mir hat es nun gewagt und ist nach gefühlt 10 Jahren Beziehung und 4 Jahren Verlobung bei quasi feststehendem Hochzeitstermin mit seiner Verlobten zusammengezogen. Was für Menschen ausserhalb von konservativen evangelikalen Gemeinden fast sogar ein wenig spießig-prüde wirkt, wurde von einer Führungsperson der Gemeinde, die er öfters besucht, so kommentiert: „Wir als Gemeinde hätten dir wahrscheinlich nicht dazu geraten…“

Ich kann verstehen, dass man manche Schritte vor einem konservativen Werte-Hintergrund nicht ebenso machen würde und Ansichten nicht teilen muss. Davon lebt unser gesellschaftlicher Diskurs.

Ich kann auch nachvollziehen, wenn man eine Handlung eher ablehnt und als „seines Bruders Hüter“ dieses äussert. Davon lebt vor allem unser politischer Diskurs.

Aber ich finde schlimmer, was alles nicht gesagt wird. Das man sich als religiöse Instanz das Recht zu Kommentieren herausnimmt gestehe ich jedem zu- aber warum ist es meistens so einseitig? Warum hört man folgende Sätze nicht öfters?

„Als Gemeinde würden wir euch nicht dazu raten, den Zweitwagen/diesen SUV/ so einen teuren Wagen zu kaufen!“

„Wir bieten übrigens Seminare zum Thema „Auswege aus der Konsumgesellschaft“ an.“

„Uns als Gemeinde sind die Werte Bescheidenheit, Teilen und Zufriedenheit sehr wichtig. Wir werden in nächster Zeit echt mal ans Eingemachte gehen und unser Verhalten und Prioritäten untersuchen- auch anhand unserer Kontoauszüge. Macht ihr mit?“

„Wir würden euch abraten, euer Geld  bei der Deutschen Bank anzulegen!“

„Wir als Gemeinde versuchen ja gemeinsam mit anderen Menschen, an einer Welt ohne ständiges Wachstum und Zinsen zu arbeiten. Engagiert euch doch mit, wir haben erst bald wieder einen Workshop…“

„Als Gemeinde hätten wir euch von den ganzen Flugreisen abgeraten!“

„Wir hätten euch nicht zum Erwerb dieses Smartphones/Mac-Books/iMacs geraten. Es gibt viel günstigere gleichwertige Produkte! Das gesparte Geld könnt ihr gemeinnützigen Zwecken zukommen lassen!“

„Als Gemeinde beraten wir euch gerne in Sachen Benzin- und Energie-Sparen und energetische Sanierungen!“

„Ah, ihr habt euch also ein Eigenheim in einem Trendviertel gekauft? Wir als Gemeinde hätten euch von dem Mitmischen bei der Gentrifizierung abgeraten“

„Wir als Gemeinde würden euch nicht dazu raten, dass ihr eure Kinder auf „bessere Schulen“ mit geringerem Ausländeranteil schickt, und somit zur Ghettoisierung beitragt.“

„Wir als Gemeinde würden von der Wahl der FDP und CSU dringend abraten- genauso wie dem FC Bayern anzuhängen!“ 🙂

Häufig legitimiert sich der Widerspruch gegen ein Verhalten als das biblische „Salz&Licht“ sein, oder „prophetisches Zeichen“ sein. Die Frage, die sich mir dann nur stellt ist: Warum lebt man „prophetisch“ (also gesellschaftskritisch anders) vor allem nur mit Sexualethik (Betonung des ehelichen Geschlechtsverkehr, Einsetzten für bürgerliche „Familien-Werte“ und häufig patriarchalisch-kulturelle Rollenbilder, Einsetzen gegen Abtreibung)- aber blendet so vieles andere dafür aus? (vor allem Geld und alles was damit zusammenhängt?). Zudem kann man fragen, warum meistens das kritisiert wird, was man selber nicht tut oder nicht selber davon betroffen ist? (bspw. rügt ein verheirateter Pastor die „wilde Ehe“ oder Heterosexuelle homosexuelle Lebensformen). Und wenn ich mir die tatsächlichen Propheten anschaue, dann finde ich dort weniger sexualethische Kritik. Sondern viel öfters finde ich soziale Gerechtigkeit als Parameter um die Frömmigkeit zu kritisieren-oder eben als Indikator für die Gottesbeziehung. Warum taucht das nicht auf? (Luxus zum Beispiel ist ein beliebtes Kritik-Ziel (vgl.) und Bereicherung auf Kosten von Armen (vgl.) . Diese Eintönigkeit (nicht nur in diesem Bereich) stört mich echt- und macht mich auf der anderen Seite wieder glücklich, (mittlerweile) zur ev. Kirche zu gehören, die sich ein viel weiteres Maß an Ausgewogenheit gönnt und (in meiner Wahrnehmung) wesentlich reflektierter und differenzierter ihre Stimme erhebt. Weil schlimmer als das, was gesagt wird, das Fehlen von dem ist, was alles nicht gesagt wird…

God on demand- Iphone-Spiritualität

Veröffentlicht: 11. April 2011 in Spiritualität
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Am Ende des Jahres 2009 wählte der Feulliton der ZEIT 4 Dinge zum Gegenstand des Jahrzehnts. Neben dem Manufactum-Katalog als Sinnbild für das neue Bürgertum waren die drei anderen Gegenstände sehr bezeichnend für unsere Gesellschaft in meinen Augen.

Da war zum einen Ritalin, das Beruhigungsmittel, welches schnell hilft Hyperaktive Kinder zu zähmen. Schnelle Erfolge durch ein paar Tropfen anstatt  Probleme, langwierige Prozesse oder unagenehme Fragen etc. etc.

Der Coffee to go gelangte auch unter die Top 4. Mal eben auf dem Weg ein Wegwerfprodukt erstehen, welches mir das morgendliche Brühen erspart und Zeit schenkt. Etwas, was eigentlich Zeit braucht zum Produzieren in einem Bruchteil dieser Zeit erkaufen.

Und das letzte war das Smartphone. Seit dem verganenen Herbst besitze ich ein Iphone. Und es verändert, wie die Webung verspricht, fast alles. Mit mobilem Internet ist die nächste Bahnverbindung schnell gefunden, eine dringende Email zügig beantwortet und als Neuling in der Stadt ist GPS kombiniert mit google maps einfach herrlich! Statt verlaufen und Zeit verlieren zügig den Weg finden. SpiegelOnline und Tagesschau immer dabei und für viele Dinge des Alltags (wie ein Barcode Scanner, der mir sagt, wo ich dieses Produkt günstiger kriege)gibt es eine App. Downloaden, Nutzen, Bedürfnis gestillt, Alltag bereichert.

Schnell gelangt man an nützliche und Zeitsparende Ergebnisse und auch wenn einem einmal langweilig ist (bspw. am Bahnsteig) kann man leere Zeit damit super füllen.

Das Smartphone ist vielleicht symptomatisch für die ganzen 3 Artikel: schnell und durch die Verknüpfung verschiedenster Dinge Zeit sparen. Ergebnisse sofort und immer verfügbar. Von mir abhängig- und nicht mehr von der Natur der Sache.

Mit Fast Food, Getränke-Automaten, Smartphones, Imbissbuden, Instant-Mahlzeiten und Kompaktausgaben von Zeitungen ersparen wir uns viel Zeit, ja, wir kaufen uns sogar sprichwörtlich gesparte Zeit. Ich kann mich schon in der langweiligen Bahn mit dem Tagesgeschehen auseinander setzten und habe dann zuhause die Zeit, die ich sonst dafür brauchen würde frei.

Wenn ich mir unterwegs einen Döner oder eine Nudelbox hole, brauche ich zuhause nicht mehr die knapp 30-40 Minuten zur Zubereitung einer Mahlzeit, sondern nur noch knapp 3 zum erwerben. Und Essen kann ich ja auch auf dem Weg.

Wir bezahlen dafür, dass uns Menschen oder Dinge unsere Tätigkeiten abnehmen oder verdichteter ermöglichen. Im Grunde geht es doch darum, die Natur der Dinge zu beeinflussen, mir anzupassen. Für ein Gespräch mit einer mir wichtigen Person muss ich nicht mehr bis zur Begegnung warten, ich kann per Handy auch schon im Zug damit beginnen.

Die Natürlichkeit von Prozessen und der Natur der Sache geht uns dabei denke ich häufig verloren. Auch dass Ergebnisse nun mal nicht sofort abrufbar oder produzierbar sind, wird mehr und mehr durch unsere Instant-Gesellschaft in den Hintergrund gedrängt. Schleicht sich dieser Trend nicht auch in unsere Spiritualität ein?

Veränderungen sollen sofort passieren, Fortschritte erst recht (und ohne Rückschritte! Ein Download geht ja auch nicht Rückwärts!). Spirituality-on-demand.

Und letzten Endes sind damit die Ergebnisse nicht mehr vom Schicksal/der Zeit/dem Lauf der Dinge/etc. abhängig, sondern von mir. Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Ein bisschen Demut soll mich nun, jetzt, erreichen. Wie ein Update. Oder Gott soll sofort das tun worum ich ihn bitte. In diesem Weltbild und seinen Auswirkungen liegt meines Erachtens auch die Gefahr, wer überhaupt souverän ist. Bin das letzten Endes nicht dann nicht ich, wenn ich hohe Ansprüche nach meinem Maßstab anlege und nicht mehr die Natürlichen Gang der Dinge (und die Zeit die nunmal gebraucht wird?)?

Aber zurück vom Thema, wer das Tempo bestimmt, zum eigentlichen Punkt: wie die schnell lebige Gesellschaft uns das Gespür für Entwicklungen austreibt. Die Gefahr liegt hier besonders darin, schnelle Lösungen und Prozesse zu versprechen. Quasi Abkürzungen anzuwerben. Und ich glaube, diesen Schuh müssen sich viele anziehen, die den heiligen Geist besonders betonen mit seinen Gaben etc..  Gottes Weg ist aus meiner Sicht eher die Evolution, desweiteren hilft bei ‚Abkürzungen‘ auch nicht die Erfahrung dauerhaft weiter, sondern nur ein Eingreifen ausserhalb unserer selbst. Man baut quasi auf Sand: schnell hochgezogen, doch das Fundament der gemachten Erfahrung und damit erlebten Veränderung fehlt.

Bei allem Streben nach ‚besser‘ und ‚mehr‘ und das dann as soon as possible, lassen mich die Berichte über die ersten Nachfolger Jesu zurücklehnen. Da kümmert sich Gott persönlich 3 Jahre um die Jungs und sie kriegen viele Dinge immer noch nicht auf die Reihe. Nach Pfingsten bauen sie eine riesige Armenfürsorge auf, die unmittelbar darauf an Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung lahmt. Paulus, der so berühmte Sätze über das Vergeben, den Frieden und den Umgang miteinander schreibt, zerstreitet sich mit seinem Missions-Team-Partner wegen Johannes Markus so sehr, dass sie sich auflösen und getrennte Wege gehen (nicht gerade sehr heroisch). Aber trotzdem schreibt ein Johannes, den Jesus ‚Sohn des Donners‘ nennt (demnach wohl jemand von ruhigem Gemüt) Jahrzehnte später die schönsten Texte über den Umgang miteinander und wird zum ‚Apostel der Liebe‘. Transformation kann stattfinden und SOLL statt finden. Jedoch nicht in Download-Manier und Geschwindigkeit, sondern in der Zeit, die der Natur der Sache entspricht. Mit Fundament und Tiefgang. Sollte es doch hin und wieder Abkürzungen geben (Nachhaltige Veränderungen von jetzt auf gleich habe ich auch schon erlebt) dann sind dies zurecht die Ausnahmen von der Regel und ein Geschenk. Spiritualität ist und bleibt kein Smartphone oder Instant-Gericht.