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Weihnachten ohne Schminke

Veröffentlicht: 25. Dezember 2011 in Kirchenjahr
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Weihnachten- Gott überwindet den himmelweiten Unterschied zwischen ihm und uns. Das höchste Wesen der Welt sucht sich für seinen „Auftritt“ nicht die ganz große Bühne mit Pauken und Trompeten und überirdischer Lichtershow aus -was ihm eigentlich zustehen würde-, sondern kommt unstandesgemäß nach ganz unten. Still, leise, heimlich. In aller Demut.

Der heruntergekommene Gott…sprichwörtlich und im doppelten Sinn. Ganz bewusst. Mit unglaublicher Aussagekraft, die wir aber irgendwie so häufig mit kitschigen Weihnachtsbildern und -Krippen überdecken. Saubere Tiere stehen in einem sauberen Stall neben einer netten Krippe und ungestressten Eltern, die eine weise und reife, sowie erlöste Ausstrahlung haben. Der Säugling schreit nicht und ist äusserst sauber und geistig präsent. Auch das Stroh scheint nicht Stall-like zu sein, sondern hat ebenfalls eine gewisse Strahlkraft. Eine romantische Szene, Weihnachten mit Schminke- der Kitsch und die romantische Darstellung nimmt den Skandal, die Härte- und damit die Aussagekraft. Presst die Weihnachtsbotschaft in herzerwärmende Märchenform.

Ein Mädchen im Orient(wahrscheinlich um die 13 Jahre alt) wird unverheiratet schwanger…als ich mit Konfis zu dem Thema sprach raunte einer das Wort ‚Ehrenmord‘. Selbst heute wäre dies noch kritisch- diese Wahl Gottes fasziniert mich jedes mal aufs Neue: Gott hätte auch ein paar Wochen warten können! Oder sollte es um die Jugenfräulichkeit der Maria gehen, hätte doch auch eine Vision an Josef gereicht…Gott wählt bewusst, diesen ‚anrüchigen‘ Weg. Jeder PR-Berater hätte wohl abgeraten (wie kontraproduktiv für Mission, den Zeitgenossen von so etwas berichten zu müssen- wäre es nicht viel wirkungsvoller, von einer jungfräulichen Geburt, aber innerhalb der gesellschaftlichen Konventionen berichten zu können? Eine Geschichte wie die von Johannes dem Täufer (eine unfruchtbare Frau aus dem Priestergeschlecht-verheiratet- wird, mit für alle sichtbaren Zeichen bestätigt, auf wundersame Art und Weise schwanger) wäre doch wesentlich besser zu kommunizieren!).

Während meiner Zeit in Indien saß ich in einem entlegenen Dorf mit einem Mann zusammen, der mich sehr faszinierte. Entgegen dem Middle-Class Wohlstands-Evangelium, welches ich in der Großstadt fast ausschließlich anzutreffen schien, versuchte dieser Mann die christliche Botschaft denen begreiflich zu machen, die sonst von Religion in der Kultur (auch sprachlich) ausgeschlossen werden. Den Menschen ganz unten. Bis heute muss ich daran denken, wie er erzählte, dass für Frauen aus den sozialen Niederungen gerade die Maria-Geschichte Identifikation bietet- viele Frauen dort werden vergewaltigt und/oder unehelich schwanger und dann sozial ausgestoßen. Die unehelich schwangere Maria ist auch ihre Geschichte- spricht auf eine Ebene zu den Menschen, die wir nicht nachvollziehen können.

Das eigentliche Geschehen der Geburt wickelt der Berichterstatter Lukas in 2 Sätzen ab: „Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ Kein Glanz und Gloria- eine nüchterne, glanzlose Beschreibung so ganz ohne der Herrlichkeit, die man erwarten würde. Wo diese ist, erklärt Lukas direkt im Anschluss (mit ganzen 9 Versen)- draußen, nicht in der Krippe, sondern bei Hirten. Hirten? Auch das ist doch für uns eine romantische Geschichte- Hirten haben doch kaum etwas noch von ihrem eigentlich schlechten Ruf behalten (die Verbindung mit dem ‚Schäferstündchen‘ ziehen wir auch nicht…). Zu der Zeit Christi waren Hirten unangesehene Tageslöhner, die einen Job erfüllten, den andere nicht tun wollten. Bei einer Kurzgeschichte übersetzt ein Dozent von mir diese mit ‚Leute von der Müllabfuhr‘. Eine uneheliche Teenagerschwangerschaft, irgendwo in Provinznestern, und es wird nicht den Religiösen oder Angesehenen Menschen kund getan, sondern die „Herrlichkeit des Herrn“ ist nicht beim eigenen Geschehen, sondern bei den Verrufenen, draußen vor der Tür.

Das höchste Wesen kommt nach‘ ganz unten‘- wird blutverschmierter Säugling, der seine Windeln regelmäßig und stinkend füllt. Zu Besuch kommen die ‚Menschen von der Müllabfuhr‘ und ein paar Anhänger einer ganz anderen Religion. Und kurz nach seiner Geburt wird aus ihm ein politisch Verfolgter und Asylant. Zeit seines Lebens wird er ein armer Handwerker aus der Provinz bleiben, teilweise obdachlos, und aus politischen Gründen hingerichtet. Um ehrlich zu sein: dies hört sich nicht nach dem höchsten Wesen an, sondern nach einem geringen ‚Normalo‘, dem ‚kleinen Mann‘. Und gerade das ist das Besondere für mich an Weihnachten. Gott überwindet den himmelweiten Unterschied ganz- bis an das andere Ende der Skala. Und dort setzt er sich für die Menschen ein, ganz besonders für die, die ebenfalls ‚ganz unten‘ sind- diese sind ständig in seiner Nähe und ein Schwerpunkt seines Handelns und Reden.

Bischof Nikolas Schneider, Ratsvorsitzender der EKD, geht auf diese Bedeutungsebene laut Tagesschau in seiner Weihnachtspredigt so ein: „Weihnachten zeigt: Gott ist mit uns unterwegs. Und das Evangelium ist nicht nur für den Einzelnen da. Es will auch die Welt verändern.“

Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein.

Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen.

Im Gehorsam gegen Gott erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod auf sich nahm, ja, den Verbrechertod am Kreuz.
Philipper 2,6-7
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Frohe Weihnachten!

Veröffentlicht: 25. Dezember 2011 in Uncategorized

„Heute ist Weihnachten zu einem Fest der Geschäfte geworden, deren greller Glanz das Geheimnis der Demut Gottes verdeckt, die uns zur Demut und zur Einfachheit einlädt. Bitten wir den Herrn darum, dass er uns hilft, durch die glänzenden Fassaden dieser Zeit hindurchzuschauen“ Benedikt XVI.