Mit ‘Mammon’ getaggte Beiträge

Sachen, die Jesus auch nicht gesagt hat

Veröffentlicht: 8. April 2013 in Pyrotheologie
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Nach dem übernommenen und übersetzten ‚Dinge, die Jesus NICHT gesagt hat‚ bin ich nun selber kreativ geworden. Dinge, die Jesus auch nicht gesagt hat:

„Es bleiben aber Glaube, Liebe, Hoffnung. Das Größte aber ist die Lehre.“

„Sooft ihr aber zusammen kommt, tut dies zu meinem Gedächtnis: singt möglichst viele seichte Lieder, die das Herz anrühren. Das sei euer gerechter Gottesdienst!“

„Man kann Gott und dem Mammon dienen, solange Gott vor dem Mammon steht.“

„Das Reich Gottes besteht in der Erhöhung, nicht der Erniedrigung. Wem viel gegeben ist, dem wird nichts genommen werden, vielmehr wird er noch dreißig, sechzig oder hundertfach empfangen. Die Ersten werden im Reich Gottes die Ersten sein, und Letzte bleiben Letzte.“

„Kümmert euch nicht um die Armen, Arme wird es immer geben. Selig sind viel eher die Reichen, denn Gott ist sichtbar auf ihrer Seite.“

„Das ist aber das höchste Gebot: liebe Gott deinen Herrn von ganzem Herzen, ganzer Seele und all deiner Kraft. Das andere aber ist ihm gleich: Die Lehre muss unbedingt rein gehalten und vor Zweifeln geschützt werden. Darin liegt die ganze Schrift und die Propheten.“

„Glaubt einfach nur an mich. Das Kamel, das glaubt und annimmt, muss nicht durch das Nadelöhr. Vergesst all so etwas einfach.“

„Trachtet zuerst nach dem, was ihr braucht und welche Sorge der morgige Tag in zehn Jahren mit sich bringen wird. Das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit wird auch morgen für sich selber Sorge tragen und alles andere wird ihm dann zufallen.“

„Was nütze es dem Menschen, wenn er den Glaube gewönne, aber den weltlichen Besitz teilen würde?“

„Erwähnte ich die immense Wichtigkeit von seichter Sakral-Musik schon?“

Ein Freund von mir hat es nun gewagt und ist nach gefühlt 10 Jahren Beziehung und 4 Jahren Verlobung bei quasi feststehendem Hochzeitstermin mit seiner Verlobten zusammengezogen. Was für Menschen ausserhalb von konservativen evangelikalen Gemeinden fast sogar ein wenig spießig-prüde wirkt, wurde von einer Führungsperson der Gemeinde, die er öfters besucht, so kommentiert: „Wir als Gemeinde hätten dir wahrscheinlich nicht dazu geraten…“

Ich kann verstehen, dass man manche Schritte vor einem konservativen Werte-Hintergrund nicht ebenso machen würde und Ansichten nicht teilen muss. Davon lebt unser gesellschaftlicher Diskurs.

Ich kann auch nachvollziehen, wenn man eine Handlung eher ablehnt und als „seines Bruders Hüter“ dieses äussert. Davon lebt vor allem unser politischer Diskurs.

Aber ich finde schlimmer, was alles nicht gesagt wird. Das man sich als religiöse Instanz das Recht zu Kommentieren herausnimmt gestehe ich jedem zu- aber warum ist es meistens so einseitig? Warum hört man folgende Sätze nicht öfters?

„Als Gemeinde würden wir euch nicht dazu raten, den Zweitwagen/diesen SUV/ so einen teuren Wagen zu kaufen!“

„Wir bieten übrigens Seminare zum Thema „Auswege aus der Konsumgesellschaft“ an.“

„Uns als Gemeinde sind die Werte Bescheidenheit, Teilen und Zufriedenheit sehr wichtig. Wir werden in nächster Zeit echt mal ans Eingemachte gehen und unser Verhalten und Prioritäten untersuchen- auch anhand unserer Kontoauszüge. Macht ihr mit?“

„Wir würden euch abraten, euer Geld  bei der Deutschen Bank anzulegen!“

„Wir als Gemeinde versuchen ja gemeinsam mit anderen Menschen, an einer Welt ohne ständiges Wachstum und Zinsen zu arbeiten. Engagiert euch doch mit, wir haben erst bald wieder einen Workshop…“

„Als Gemeinde hätten wir euch von den ganzen Flugreisen abgeraten!“

„Wir hätten euch nicht zum Erwerb dieses Smartphones/Mac-Books/iMacs geraten. Es gibt viel günstigere gleichwertige Produkte! Das gesparte Geld könnt ihr gemeinnützigen Zwecken zukommen lassen!“

„Als Gemeinde beraten wir euch gerne in Sachen Benzin- und Energie-Sparen und energetische Sanierungen!“

„Ah, ihr habt euch also ein Eigenheim in einem Trendviertel gekauft? Wir als Gemeinde hätten euch von dem Mitmischen bei der Gentrifizierung abgeraten“

„Wir als Gemeinde würden euch nicht dazu raten, dass ihr eure Kinder auf „bessere Schulen“ mit geringerem Ausländeranteil schickt, und somit zur Ghettoisierung beitragt.“

„Wir als Gemeinde würden von der Wahl der FDP und CSU dringend abraten- genauso wie dem FC Bayern anzuhängen!“ 🙂

Häufig legitimiert sich der Widerspruch gegen ein Verhalten als das biblische „Salz&Licht“ sein, oder „prophetisches Zeichen“ sein. Die Frage, die sich mir dann nur stellt ist: Warum lebt man „prophetisch“ (also gesellschaftskritisch anders) vor allem nur mit Sexualethik (Betonung des ehelichen Geschlechtsverkehr, Einsetzten für bürgerliche „Familien-Werte“ und häufig patriarchalisch-kulturelle Rollenbilder, Einsetzen gegen Abtreibung)- aber blendet so vieles andere dafür aus? (vor allem Geld und alles was damit zusammenhängt?). Zudem kann man fragen, warum meistens das kritisiert wird, was man selber nicht tut oder nicht selber davon betroffen ist? (bspw. rügt ein verheirateter Pastor die „wilde Ehe“ oder Heterosexuelle homosexuelle Lebensformen). Und wenn ich mir die tatsächlichen Propheten anschaue, dann finde ich dort weniger sexualethische Kritik. Sondern viel öfters finde ich soziale Gerechtigkeit als Parameter um die Frömmigkeit zu kritisieren-oder eben als Indikator für die Gottesbeziehung. Warum taucht das nicht auf? (Luxus zum Beispiel ist ein beliebtes Kritik-Ziel (vgl.) und Bereicherung auf Kosten von Armen (vgl.) . Diese Eintönigkeit (nicht nur in diesem Bereich) stört mich echt- und macht mich auf der anderen Seite wieder glücklich, (mittlerweile) zur ev. Kirche zu gehören, die sich ein viel weiteres Maß an Ausgewogenheit gönnt und (in meiner Wahrnehmung) wesentlich reflektierter und differenzierter ihre Stimme erhebt. Weil schlimmer als das, was gesagt wird, das Fehlen von dem ist, was alles nicht gesagt wird…

Mahatma Gandhi soll einmal die sieben sozialen Sünden unserer modernen Gesellschaft wie folgt beschrieben haben:

Politik ohne Prinzipien
Reichtum ohne Arbeiten
Genuss ohne Gewissen
Wissen ohne Charakter
Geschäft ohne Moral
Wissenschaft ohne Menschlichkeit
Religion ohne Opfer

Die Thesen ‚Reichtum ohne Arbeiten‘, ‚Genuss ohne Gewissen‘ und ‚Religion ohne Opfer‘ beleuchten aus meiner Sicht ein- und denselben Gedanken in drei Dimensionen. Es geht jeweils um etwas, was man nur für sich empfangen oder haben möchte, ohne die Verantwortung oder Aufwand dahinter- Preis ohne Fleiß. ‚Rosinen picken‘ auf materieller, Konsumenten- und religiöser Ebene. Es passt irgendwie gut in unsere Instant-Gesellschaft mit unserer Iphone-Spiritualität.

Vor knapp einem Jahr besuchte ich einen Gottesdienst einer kleinen Gemeinde in einer typischen west-deutschen Kleinstadt. Vor dem Kirchengebäude findet man klischeehaft die Kombi- und Limosinen-Varianten nahmhafter Autofabrikanten in der Preisklasse um das ein- bis zweifache deutsche Durchschnitts-Jahresgehalt. Ein paar Zeilen des Small-Talks nach dem Geschehen befremdeten mich: Da wird über die Job-mäßige und Lebensstandard-technische Verbesserung ausgetauscht und man vergewissert sich gegenseitig wie überreich Gott doch segne. (Die Frage, warum er immer nur die obere Mittelschicht segnet in dem gleichen Maße, wie der nicht-religiöse Nachbar XY gleicher Lebensqualität und Bildungsstands auch scheinbar gesegnet wird, aber nicht die Gläubigen in anderen wirtschaftlich-präkeren Kontexten (siehe Indien, Afrika, Südamerika etc. -also der Großteil der christlichen Welt-Bevölkerung) verkneife ich mir).

Was dem Geschehen und der Szenerie eine seltsame Ironie verleiht ist eine kleine Rand-Anekdote, die wahrscheinlich nur mir aufgefallen ist. Eigentlich sogar zwei. Da es sich bei dem Gottesdienst um eine Hochzeit handelte (und zudem noch in einer christlichen Sondergemeinschaft mit exklusivem Selbstverständnis) ist der Prediger sichtlich bemüht den Glauben den Anwesenden anderen Glaubens und Bekenntnisses schmackhaft zu machen. (nicht den allgemeinen christlichen Glauben, sondern den exklusiven, aber das ist für ihn deckungsgleich). Er betont sehr häufig den glaubensfördernden Charakter von „Gebetserhörungen“, und dass diese einen wichtigen Platz in der zyklischen Auf- und Abbewegung des Glaubensalltags hätten. Gebetserhörung- also ich erbitte etwas und Gott erhört dies. Oder anders ausgedrückt: ich reiche einen Antrag ein und kriege ihn bewilligt. Gott tut was ich will. Ich stehe im Zentrum- nicht Gott. Dieser wird gewissermaßen zur Hebelkraft meines Anliegens- aber dazu später mehr.

Nach der Predigt soll ein allgemein gesungenes Lied diese Einladung zum Glauben unterstreichen. Ein Lied, welches die Einzigartigkeit des Evangeliums besingt (und eigentlich echt schön ist- alt und amerikanisch kitschig- aber schön). Der Titel: eine Botschaft voll Erbarmen. Eine Art Methodisten-Schlager aus dem 19. Jahrhundert. Ein paar Zeilen des Lieds:

Eine Botschaft voll Erbarmen,
hoch aus Gottes Heiligtum,
eine Botschaft für die Armen
ist das Evangelium. […]

Sein Geheimnis heißet Gnade,
und der Arme fasst’s allein,
und der Ärmste ist’s gerade,
der darf sprechen: Sie ist mein.

Als eine Art „Fan“ von John Wesley und dem frühen Methodismus gefallen mir diese Zeilen sehr. Ja- wahrscheinlich versteht nur der Arme was tatsächlich Gnade ist und ja- das Evangelium ist zuerst vor allem auch eine frohe Botschaft an die Armen. Welche Strömung christlicher Theologie würde dem nicht zustimmen? Der Katholizismus hat dies sogar mit der ‚Option für die Armen‘ in theologischen Beton gegossen, die ewig weltverbessernde und gutmenschelnde evangelische Kirche gibt ebenso ihr „Amen dazu“. Selbst der blinde Fleck der Evangelikalen in dieser Hinsicht (auch nur 200 Jahre alt) wird in den letzten Jahren von ebendiesen entdeckt und angegangen.

Gehen in dem Moment nur mir bei diesem Lied der Sinn des Liedes auf? All die leitenden Angestellten im feinen Zwirn singen dieses Lied und steigen nachher in ihre Audis, BMWs etc.. Nach dem Gottesdienst noch ein Pläuschen mit eben erwähntem Segensverständnis. Fasst tatsächlich „der Arme es allein“?

Das „Wohlstandsevangelium light“ ist in unserem bürgerlichen Kirchen-Kulturkreis nicht nur längst salonfähig, sondern sogar in gewisserweise in die DNA der Volksfrömmigkeit eingewebt. In einem Gespräch ein paar Tage später muss ich mich gegenüber Christen implizit verteidigen, warum ich beruflich „so wenig“ aus meinen Chancen gemacht habe und „nur“ eine pädagogisch-theologische Ausbildung und mein Leben in den Niederrungen des BAT verbringen werde (den manche besser verdienenden Freunde von mir ein „ewiges Armutsgelöbnis“ nennen). „Erniedrigung“ (um es mit Bibel-Deutsch zu sagen) kommt in ihrer christlichen Logik irgendwie nicht vor.

Das Wesen von Nachfolge besteht doch aber nach Jesus und dem NT in der Erniedrigung und nicht in der Erhöhung.(und ich bin wahrhaft kein Held in der Nachfolge- das ist auch mir sehr bewusst! (siehe dazu auch hier)) Die unausgesprochenen Glaubensinhalte unserer mittelständischen, westlichen Kirchenkultur haben viel mit der Botschaft amerikanischer Fernsehevangelisten gemein. Manchmal kommt es mir vor, als würde man über einen niedrigen Aufzug sprechen: zum Eintritt mal kurz den Kopf einziehen und dann gehts nach oben. Eine kurze Erniedrigung, sich einmal Gott unterwerfen, und dann erhöht einen Gott und es geht aufwärts. Religion ohne Opfer- ich empfange, ohne dass es mich wirklich etwas kostet. Ich und meine Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt: bildhaft gesprochen bin ich Sonne und Gott Erde, die um die Sonne kreist. Oder wir sind so etwas wie zwei Sonnen die umeinander kreisen.

Eigentlich kann man aus diesem Gedanken schon die Denkart herauslesen, die sein Zustandekommen bewirkt: ein Aufstiegsdenken. Und selbstverständlich ist dieses dann in der Logik einer aufstiegsorientierten Kultur, die sich in den Kirchengebäuden versammelt, stimmig (der klassische Zirkelschluss). Dass der soziale Aufstieg jedoch erst seit weniger als 200 Jahren möglich ist und demnach diese Denkweise maximal ebenjene Jahresanzahl besitzen kann, ist noch nicht wirklich durchgedrungen. Wie könnte ein solcher Gedanke auch in der armen Gesellschaft der Antike verortet sein?).

Alljährlich lesen wir das Magnificat um die Weihnachtszeit herum. Kriegen wir diese erschreckenden Zeilen darin überhaupt noch mit:

Er stürzt die Mächtigen vom Thron
und erhöht die Niedrigen.

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben
und lässt die Reichen leer ausgehen.

„Lässt die Reichen leer ausgehen?“ Wie passt dies in die Botschaft, die Usus in unserer Gemeindelandschaft ist? Nicht nur Josef Ackermann ist „der Reiche“ oder „der Mächtige“….

Scheinbar sieht das NT hier Gott in einer Rolle des Lift-Boys: wer schon nach oben gefahren ist, wird hinabtransportiert, und wer nie Aufgefahren ist, dem wird diese Ehre zuteil. Gewissermaßen die schlussendliche Abrechnung von Religion und Opfer. Aber diese Botschaft ist so brisant und gefährlich, dass wir sie glatt bügeln, überhören, vergessen, nicht wahrnehmen. Oben erwähnter John Wesley soll gesagt haben, dass er sich unsicher gewesen sei, ob er das Evangelium recht verkündet hätte, wenn man ihn nicht zur Stadt hinausgetrieben habe. Und wenn man nach seinem Tod mehr als 10 Pfund in seiner Tasche finden sollte, sollte er als Lügner gelten.

Nachfolge kann aus meiner Sicht für uns hier im reichen Westen konsequenterweise nur ein Weg der Erniedrigung sein, wenn ich gewissermaßen von „oben“ auf die Gesamtheit schaue. Wie kann ein „liebender Vater“ das eine Kind mit Gaben überhäufen, während das andere daneben verhungert?? Das ist doch ein in sich unstimmiges Bild! Nachfolge Christi bedeutet Teilen und das Streben nach Einfachheit. Und ich bin froh, dass Orte wie Taizé glaubhaft und zum Anfassen eine andere Botschaft verkünden und im wachsenden Maße mehr und mehr Leute inspirieren! Und auch mir diese Lektion immer wieder und wieder vor Augen halten- weil auch ich sie immer wieder dringend lernen muss! Weil ich zwar vielleicht nicht im Aufzug höher fahren will- aber auch nicht abwärts! Und meine Religion manchmal auch ganz gut ohne Opfer auskommt…

von Wallpaper4god.com

Das Gier-Glaubensbekenntnis

Veröffentlicht: 7. September 2011 in Uncategorized
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Ich glaube ich habe in den letzten Wochen zuviel „Börse im Ersten“ vor der Tagesschau gesehen und vielleicht waren das auch echt ungünstige Wochen dafür. Vielleicht habe ich auch zuviele Experten-Runden gesehen und/oder zuviel gelesen zur sozialen Schieflage bei gleichzeitigen Unsummen zum Thema Europa/ den damit verbundenen Banken und Marktprozessen. Heute dann beging ich den Fehler eine Bundestagsdebatte live im Fernsehen zu sehen. Das alles ist glaube ich nicht gut für meinen Blutdruck.

Highlight in der besagten Debatte war der Auftritt von Gregor Gysi, der teilweise unterirdisch schlecht war, teilweise aber auch brilliant. Brilliant war die Zitierung konservativer oder neoliberaler Größen in den letzten Wochen (darunter selbst der Bundespräsident) und deren Kritik am Verhältnis Politik und Marktwirtschaft (Wenn schon Paul Kirchhof sagt, dass die Solidarität mit Griechenland eigentlich eine Solidarität mit den Banken ist…). Gestern fiel mir dann folgendes Glaubensbekenntnis in die Hand, welches meinen Gedanken Worte verlieh und ein wenig zum Abklingen meines Blutdrucks führte.

Wie sagte schon Brian McLaren: “ ‚In God we trust‘ is written upon the God we trust in“

von asbojesus.wordpress.com

Wo sich Jesus noch ändern muss

Veröffentlicht: 6. September 2011 in Uncategorized
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(Dieser Beitrag kann Spuren von Ironie enthalten)

von asbojesus.wordpress.com

Trifft ein Weißer aus dem Mittelstand einer westlichen Industrienation auf einen orientalischen Handwerker vor 2000 Jahren….

…natürlich ist dem nicht so! In meiner Kinderbibel war Jesus eigentlich immer mit sehr westlichen Gesichtszügen zu sehen und in römischer Kleidung. Oder mit einem drei Tage Bart trug er lächelnd und mit einem Model-Gesicht Schafe auf dem Rücken. Und dieser smarte Mensch sagte auch noch immer tolle Dinge, die mich als Königskind adelten und mir immer wieder meinen Stellenwert bei Gott vergewisserten. Und eigentlich änderte sich dieses nicht. Gehe ich heute in einen durchschnittlichen (eher freikirchlichen) Gottesdienst lerne ich: Gott ist für mich! Und ich soll aufpassen, dass ich ihm vertraue, nichts vor ihm zurück halte, und vor allem bei so Dingen wie Lügen, MP3s herunterladen und Pornographie/Sexualethik aufpasse. Aber im Grunde liebt mich Gott total und wenn ich mich ihm anschliesse und ihm nachfolgen will, muss ich halt aufpassen, dass ich so Dinge wie Unerlichkeit und ihm nicht vertrauen unterlasse.

Und im Grunde ist das schön! Diesen Jesus mag ich. Ich bin wichtig beim Allerhöchsten und ich muss mich halt nur ganz auf ihn verlassen und ein paar Dinge nicht tun, sowie ein paar Dinge tun (Bibellesen udn Beten halt). Mein Leben ist also ganz okay (jaaaa, da gibt es Sünde, aber die drückt sich ja darin aus, in dem schlechten was ich tue…also Unerlichkeit, mangelndes Vertrauen und mein Umgang mit Sexualität) ich muss nur ein paar Dinge (eben diese Sündendinge) lassen. Und ich weiß auch mittlerweile wie ich meine Bibel lesen muss, um an die Mutmach-Stellen zu kommen und die „Tun-mir-gut-Passagen“ zu finden. Dieser Jesus weiß scheinbar auch schon vor  2000 Jahren was mir guttut und wie es bei mir aussieht. Diese Botschaft scheint zeitlos. Ein 2000-Jahre altes Wellness-Evangelium. Diesem Kerl ist es einfach nachzufolgen! Manche Dinge stören aber dabei noch…

Wenn Jesus von einem Vater spricht, der sich um seine Kinder kümmert, ist doch mittlerweile in den Köpfen ein Vaterbild, was eher an die Sonntags-Brötchen-Werbung erinnert (so ein cooler Papa im Pyjama, der vor aufgehender Sonne in völliger Harmonie mit seinen Kiddies spielt). Dieses Vaterbild ist zwar erst etwas älter als 30-50 Jahre- aber Jesus meinte das bestimmt auch! (Wer käme auch auf die Idee, ein orientalisches Vaterbild dort anzunehmen…pff…will das etwa sagen, dass meine Nachbarn, die aus dem Orient kommen und die Familie unserer Putzfrau eher dem entspricht, auf  was „mein“/“unser“ Jesus sich bezieht? Völlig ausgeschlossen! Jesus stammte zwar aus dem Orient, aber so war er bestimmt nicht drauf!)

Oder diese ganzen Stellen zwischen den „Tut-mir-gut-Stellen“. Besonders bei Matthäus und Lukas. Die Stellen, die bestimmt besonders nur damals galten, vor allem den damaligen Pharisäern (so bin ich ja nicht! Gott sei Dank!) und den damaligen Wohlhabenden (gieriges Pack! Ich spende immerhin!…naja, hin und wieder…). Aber ich weiß ja, was die damals falsch gemacht haben und kann das anders machen. Wenn Jesus mal wieder gegen das Ansammeln von Geld wettert, dann bedeutet dass, das Geld nicht an erster Stelle stehen soll. Tut es ja auch für mich nicht! Vorsorge muss aber halt auch sein und so ein Haus bezahlt sich alleine auch nicht ab und nur ein Auto in der Familie wäre auch nicht denkbar. Man muss schon was tun um seinen lebenswerten Standard zu halten/erreichen, aber das war damals anders und damals waren das halt echte Reiche (so wie Banker heute) und nicht Leute wie du und ich. Nicht ohne Grund wird das ja nicht wirklich in den Gemeinden nicht mehr gepredigt. Mammon oder Gott, das war damals ein Problem! Heute weiß man doch, dass es darum geht Gott vor Mammon zu setzten!

Oder aber auch die Radikalität in der der manchmal redete. Familie verlassen und alles aufgeben ging damals bestimmt bestens- heute ist das doch undenkbar! Dieses ganze sehr gastfreundschaftlich sein- okay, das kann man vielleicht dann doch auf den orientalischen Hintergrund zurückführen! Aber in unserer schnelllebigen Kultur brauche ich auch einfach meinen privaten Raum. Hin und wieder lade ich mir aber auch meine Freunde ein! Das soll man nach Jesus ja auch, aber eben auch Bedürftige einladen, die sich nicht revanchieren können. Das kann ich aber schon aus Sicherheitsgründen nicht- das war damals bestimmt auch etwas anderes!

Jesus hört sich manchmal sogar an wie ein Linker- aber das ist bestimmt auch nur auf die damaligen Gesellschaftsumstände zurückzuführen, als echt viele Arme von wenigen Reichen ausgebeutet wurden und viele Hunger leiden mussten. Sowas wie sozialen Kapitalismus konnte der ja auch gar nicht kennen- und der hilft immerhin mir und vielen meiner Gemeinde zu einem angenehmen Leben- so schlecht kann dies demnach nicht sein!

Und Jesus hat sich damals ja auch viel um die Leute gekümmert, die „ganz unten“ waren oder ausgestoßen. Prostitueierte zum Beispiel. Das war damals aber bestimmt auch etwas anderes! Heute die Unterschicht und die Ausgestoßenen- da gefährdet man sich ja selber wenn man mit denen was zu tun hat! Und bestimmt tun die einem alles mögliche an, wenn man auf die zu gehen will. Nene, da spende ich lieber für einen Streetworker, der kann das- Jesus würde das heute bestimmt auch nciht mehr machen! (und nicht umsonst kommen so wenige Leute aus der Unterschicht bzw. so wenige ausgestoßene Leute in die Kirche…die Botschaft von Jesus passt denen einfach nicht! Die sind ja auch viel mehr Sünder als ich und wollen das nicht einsehen)

Bei diesem Paulus muss ich das aber auch sagen. Im Türkei-Urlaub kann man sich schön die Städten angucken wo der alles war und herkam, aber dass der so einer war mit einem ähnlichen Background und Aussehen wie mein Dönermann- nein! Jaa, das Bier Efes klingt schon ähnlich den Ephesern und der Club Galatasaray auch wie Galater…aber das waren damals bestimmt auch „normale“ Menschen im römischen Reich! Und Paulus ein „Türke“? Türkei in ihrer jetztigen Form ist doch noch nichteinmal 100 Jahre alt und die Osmanen davor auch nicht bis in die antike…bestimmt war Paulus ein normaler Mitteleuropäer und kein türkischer Orientale! Und so Sachen wie „Ermahne die Reichen, nicht überheblich zu werden. Sie sollen ihr Vertrauen nicht auf etwas so Unsicheres wie den Reichtum setzen; vielmehr sollen sie auf Gott vertrauen, der uns alles reichlich gibt, was wir zum Leben brauchen. Sie sollen Gutes tun, freigebig sein und ihren Reichtum gerne mit anderen teilen. Wenn sie an guten Taten reich werden, schaffen sie sich einen sicheren Grundstock für die Zukunft, damit sie das wirkliche Leben gewinnen.“ richtete sich auch an die Oberschicht der damaligen Zeit (wer kann schon seinen Reichtum teilen??? Nur jemand, der viel davon hat…und Vorsorge ist heute halt auch was anderes als damals).

Es bleibt festzuhalten: den Jesus wie ich ihn kennengelernt habe ist leicht nachzufolgen. Da gibt es ein paar Sachen, aber die sind heute nicht mehr so wichtig, die kann man guten Gewissens heute weglassen. Auch so Sachen wie „Wer mir folgen will der verleugne sich selbst“- damit meint der das mit dem Lügen und so weiter…Jesus Folgen ist doch ganz einfach, das Wellness-Evangelium eben: Gott liebt mich, aber ein paar Dinge muss ich ändern.

Ein radikaler Orientale mit ganz anderen Vorstellungen vom Zusammenleben und einem Entwurf  „gegen die Regeln der Welt“!? So ein Jesus müsste sich echt erst ändern, wenn man ihm tatsächlich folgen können sollte!

Vom Verschlucken von Kamelen…

Veröffentlicht: 21. Juni 2011 in Uncategorized
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Heute habe ich mir in einer ruhigen Minute mal wieder die Bibel geschnappt und ab dem Einlege-Bändchen weitergelesen. Nach ein paar Zeilen folgte dann ein Text, den ich im ersten Reflex überspringen wollte: das Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld. Eigentlich dachte ich: kennt man alles schon. Mindestens 15 mal gehört, diverse Bilder dazu in der Sonntagsschule ausgemalt etc. etc.. Und bei jeder Predigt die Schlussaufforderung „So wollen auch wir fruchtbares Feld sein….“. Ein Text, wo man schnell denkt, man kenne schon alle Facetten. Trotzdem überredete ich mich, diesen Text noch einmal zu lesen.

Okay, erster Fall: Raben rauben. (Deutung ein paar Zeilen darunter: „wird geraubt was im Herz gesät ist“) Kontrollhäckchen dahinter gesetzt- kann ich zu großen Teilen behaupten, dass dem bei mir nicht so ist.

Zweiter Fall: geringer Boden- schnelles Aufgehen, aber bei Bewährung schnelles Vergehen. Zu lange zu intensiv dafür unterwegs und Bewährungs-erprobt. Auch hier das Sonntagsschul-Kontrollhäkchen.

Dritter Boden: Dornen. Da ich immer gelernt habe, dass dies die Dinge sind, die nichts mit Gott zu tun haben und meinen Blick von ihm weg richten (womit dann immer so ungöttlichen Zeug wie Pornographie, private Götzen (in etwa Starkult etc.) gemeint war). Auch hier will ich schon den gedanklichen Kugelschreiber für ein Häckchen ansetzten, da bleibt mir Jesu Erläuterung im Hals stecken: „Bei dem aber unter die Dornen gesät ist, das ist, der das Wort hört, und die Sorge der Welt und der betrügerische Reichtum ersticken das Wort, und er bringt keine Frucht.“. Reichtum??? Das habe ich ja bei den gefühlt 100 Behandlungen dieses Texts noch nie gehört. Und auch Sorgen ist ja in der Erfahrung etwas zutiefst auf das Materielle, den Erhalt des Satuts quo bezogene. Dass der fruchtbare vierte Boden als direkter Kontrast dazu angeführt wird, radikalisiert es noch einmal.

„Sorge der Welt“ und „betrügerischer Reichtum“ als widergöttliche Faktoren- wie kann es sein, dass ich davon so gut wie noch nie gehört habe? Generell legt Jesus beim Reichen-Bashing eine Messlatte vor, die so einige Personen im ganz linken Spektrum wie markthörige Schnösel wirken lässt. Reichtum und die Werte der Jesus-Bewegung scheinen einige eher schwierig zu vereinende Komponenten zu haben. Wer sich um sich sorgt („Sorge der Welt“) und für sich Wohlstand anhäuft, hat weniger Schnittfläche mit dem selbstlosen Sorgen um andere und dem bereitwilligen Teilen was man hat („wer zwei Hemden besitzt der gebe eins dem, der keins hat…“ O-Ton Jesus aus Nazareth).

Das Christentum war von Beginn an eine Kontrast-Gesellschaft. In der Apostelgeschichte liest man, dass nach dem Empfang des Heiligen Geistes ein Armenfürsorge-System ohne gleichen eingeführt wurde und die neuen Christen begannen über ihren Besitz nachzudenken und diesen radikal zu teilen. Wenn ich Predigten über Pfingsten höre, dann wird entweder über die übernatürlichen Zeichen geredet (die als charismatische Manifestation bezeichnet werden) oder über das „Bleiben bei der Lehre und Feiern des Abendmahls“ der neuen Gemeinschaft (als Vorbild und Anreiz unseres Bleibens bei der rechten Lehre). Dabei betont Lukas (der Autor der Apostelgeschichte) gleich zweimal, die neue Art von Gemeinschaft und Kontrast-Gesellschaft. Doch dies ist auch so etwas, was wir gerne vergessen.(Eine Predigt über Teilen bzw. Besitz-Verkaufen als charismatische Manifestation- wann hat man das schon einmal gehört? 🙂 ).

Verschiedenen prominenten Intelektuellen wird der Satz zugeschrieben, sie hätten eher wenig Probleme mit den Passagen der Bibel, die sie nicht verstehen, als mit denen, die sie verstehen. Das erlebe ich auch nicht gerade als Gemeinde-Usus. Jesus wirft einmal den besonders Frommen vor, dass sie in ihrem Bemühen Mücken aussieben, aber Kamele verschlucken. Scheinbar sind wir darin immer noch ganz gut. Wie wichtig werden manche Kleinigkeiten in der Diskussion (Feinaustarierungen bei der Sexualmoral, Frömmigkeitsstile beim Gebet, Musikgenre etc. etc.) und vor allem welchen Fokus genießen sie im Gemeindeleben?! Aber wie häufig hört man die radikale Besitz-Kritik (bzw. Nicht-Teilen-Kritik) Jesu (eines Obdachlosen aus der Arbeiterklasse) in unseren Mittelschicht-Gemeinden mit Erst- und Zweitwagen auf dem Parkplatz des teuren Gemeindezentrums? Wie häufig wird im Gegensatz dazu auf David berufen (der ja ein „Mann nach dem Herzen Gottes“ war und auch sehr wohlhabend…), aber bei den schönen „wohltuenden“ Sachen dann eben jener Jesus bemüht?

Die unbequeme Frage, die die Evangelien uns stellen ist: Verschlucken wir nicht häufig recht freimütig diese Kamele zugunsten bequemer ‚Seelen-Wellness‘ die uns in einem bequemen Maß in Frage stellt (und vor allem die, die nicht so sind wie wir? siehe die Kritik an den verkommenden Werten)?

Apropros Kamele, da war doch auch noch was mit einem Nadelöhr……