God on demand- Iphone-Spiritualität

Veröffentlicht: 11. April 2011 in Spiritualität
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Am Ende des Jahres 2009 wählte der Feulliton der ZEIT 4 Dinge zum Gegenstand des Jahrzehnts. Neben dem Manufactum-Katalog als Sinnbild für das neue Bürgertum waren die drei anderen Gegenstände sehr bezeichnend für unsere Gesellschaft in meinen Augen.

Da war zum einen Ritalin, das Beruhigungsmittel, welches schnell hilft Hyperaktive Kinder zu zähmen. Schnelle Erfolge durch ein paar Tropfen anstatt  Probleme, langwierige Prozesse oder unagenehme Fragen etc. etc.

Der Coffee to go gelangte auch unter die Top 4. Mal eben auf dem Weg ein Wegwerfprodukt erstehen, welches mir das morgendliche Brühen erspart und Zeit schenkt. Etwas, was eigentlich Zeit braucht zum Produzieren in einem Bruchteil dieser Zeit erkaufen.

Und das letzte war das Smartphone. Seit dem verganenen Herbst besitze ich ein Iphone. Und es verändert, wie die Webung verspricht, fast alles. Mit mobilem Internet ist die nächste Bahnverbindung schnell gefunden, eine dringende Email zügig beantwortet und als Neuling in der Stadt ist GPS kombiniert mit google maps einfach herrlich! Statt verlaufen und Zeit verlieren zügig den Weg finden. SpiegelOnline und Tagesschau immer dabei und für viele Dinge des Alltags (wie ein Barcode Scanner, der mir sagt, wo ich dieses Produkt günstiger kriege)gibt es eine App. Downloaden, Nutzen, Bedürfnis gestillt, Alltag bereichert.

Schnell gelangt man an nützliche und Zeitsparende Ergebnisse und auch wenn einem einmal langweilig ist (bspw. am Bahnsteig) kann man leere Zeit damit super füllen.

Das Smartphone ist vielleicht symptomatisch für die ganzen 3 Artikel: schnell und durch die Verknüpfung verschiedenster Dinge Zeit sparen. Ergebnisse sofort und immer verfügbar. Von mir abhängig- und nicht mehr von der Natur der Sache.

Mit Fast Food, Getränke-Automaten, Smartphones, Imbissbuden, Instant-Mahlzeiten und Kompaktausgaben von Zeitungen ersparen wir uns viel Zeit, ja, wir kaufen uns sogar sprichwörtlich gesparte Zeit. Ich kann mich schon in der langweiligen Bahn mit dem Tagesgeschehen auseinander setzten und habe dann zuhause die Zeit, die ich sonst dafür brauchen würde frei.

Wenn ich mir unterwegs einen Döner oder eine Nudelbox hole, brauche ich zuhause nicht mehr die knapp 30-40 Minuten zur Zubereitung einer Mahlzeit, sondern nur noch knapp 3 zum erwerben. Und Essen kann ich ja auch auf dem Weg.

Wir bezahlen dafür, dass uns Menschen oder Dinge unsere Tätigkeiten abnehmen oder verdichteter ermöglichen. Im Grunde geht es doch darum, die Natur der Dinge zu beeinflussen, mir anzupassen. Für ein Gespräch mit einer mir wichtigen Person muss ich nicht mehr bis zur Begegnung warten, ich kann per Handy auch schon im Zug damit beginnen.

Die Natürlichkeit von Prozessen und der Natur der Sache geht uns dabei denke ich häufig verloren. Auch dass Ergebnisse nun mal nicht sofort abrufbar oder produzierbar sind, wird mehr und mehr durch unsere Instant-Gesellschaft in den Hintergrund gedrängt. Schleicht sich dieser Trend nicht auch in unsere Spiritualität ein?

Veränderungen sollen sofort passieren, Fortschritte erst recht (und ohne Rückschritte! Ein Download geht ja auch nicht Rückwärts!). Spirituality-on-demand.

Und letzten Endes sind damit die Ergebnisse nicht mehr vom Schicksal/der Zeit/dem Lauf der Dinge/etc. abhängig, sondern von mir. Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Ein bisschen Demut soll mich nun, jetzt, erreichen. Wie ein Update. Oder Gott soll sofort das tun worum ich ihn bitte. In diesem Weltbild und seinen Auswirkungen liegt meines Erachtens auch die Gefahr, wer überhaupt souverän ist. Bin das letzten Endes nicht dann nicht ich, wenn ich hohe Ansprüche nach meinem Maßstab anlege und nicht mehr die Natürlichen Gang der Dinge (und die Zeit die nunmal gebraucht wird?)?

Aber zurück vom Thema, wer das Tempo bestimmt, zum eigentlichen Punkt: wie die schnell lebige Gesellschaft uns das Gespür für Entwicklungen austreibt. Die Gefahr liegt hier besonders darin, schnelle Lösungen und Prozesse zu versprechen. Quasi Abkürzungen anzuwerben. Und ich glaube, diesen Schuh müssen sich viele anziehen, die den heiligen Geist besonders betonen mit seinen Gaben etc..  Gottes Weg ist aus meiner Sicht eher die Evolution, desweiteren hilft bei ‚Abkürzungen‘ auch nicht die Erfahrung dauerhaft weiter, sondern nur ein Eingreifen ausserhalb unserer selbst. Man baut quasi auf Sand: schnell hochgezogen, doch das Fundament der gemachten Erfahrung und damit erlebten Veränderung fehlt.

Bei allem Streben nach ‚besser‘ und ‚mehr‘ und das dann as soon as possible, lassen mich die Berichte über die ersten Nachfolger Jesu zurücklehnen. Da kümmert sich Gott persönlich 3 Jahre um die Jungs und sie kriegen viele Dinge immer noch nicht auf die Reihe. Nach Pfingsten bauen sie eine riesige Armenfürsorge auf, die unmittelbar darauf an Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung lahmt. Paulus, der so berühmte Sätze über das Vergeben, den Frieden und den Umgang miteinander schreibt, zerstreitet sich mit seinem Missions-Team-Partner wegen Johannes Markus so sehr, dass sie sich auflösen und getrennte Wege gehen (nicht gerade sehr heroisch). Aber trotzdem schreibt ein Johannes, den Jesus ‚Sohn des Donners‘ nennt (demnach wohl jemand von ruhigem Gemüt) Jahrzehnte später die schönsten Texte über den Umgang miteinander und wird zum ‚Apostel der Liebe‘. Transformation kann stattfinden und SOLL statt finden. Jedoch nicht in Download-Manier und Geschwindigkeit, sondern in der Zeit, die der Natur der Sache entspricht. Mit Fundament und Tiefgang. Sollte es doch hin und wieder Abkürzungen geben (Nachhaltige Veränderungen von jetzt auf gleich habe ich auch schon erlebt) dann sind dies zurecht die Ausnahmen von der Regel und ein Geschenk. Spiritualität ist und bleibt kein Smartphone oder Instant-Gericht.

Kommentare
  1. Adi G. sagt:

    Ritalin ist wohl kaum ein Beruhigungsmittel, und die Kinder werden auch nicht „normal“ mit dem Medikament, es hilft ihnen einfach, sich besser in die Schulstruktur zu integrieren. Ich frage mich, wieso unter den ADS-Betroffenen relativ viele Kritiker was Glauben, Religion, Wirtschaft und Politik angeht zu finden sind?
    Vermutlich weil sie es gewohnt mehr aufzunehmen und damit weiter zu denken als andere.

  2. timski sagt:

    Lieber Adi,
    mit meinem Satz „Ritalin, das Beruhigungsmittel, welches schnell hilft Hyperaktive Kinder zu zähmen. Schnelle Erfolge durch ein paar Tropfen“ versuche ich schon, so wenig Aussage wie möglich über Ritalin zu treffen, weil der Streit um AD(H)S und Ritalin mir als Pädagoge durchaus bekannt ist, ich aber zu wenig in der Materie stecke um dies beurteilen zu können. Die Betonung sollte hier darauf liegen, dass die Erfolge schnell kommen, in meinem Zeitplan.
    Dass mit einer höheren Aufnahme- bzw. Verarbeitung von Reizen und Sachverhalten eine gewisse Skepsis an und Zynismus gegenüber den Insitutionen des Zusammenlebens kommt (zudem Religion eben auch zählt) stimmt auch mit meiner Wahrnehmung überein. Jedoch ist auch bei den klügsten Köpfen (definiert man klug nun aus dem Stehgreif als ‚verarbeitungsschnell‘ oder ‚verarbeitungsstark‘) häufig Glaube vorhanden- dieser muss jedoch nicht mit den Formen organisierter Religiösität kongruent sein.
    Liebe Grüße in die Schweiz
    Tim
    Tim

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