Mit ‘Twentysomethings’ getaggte Beiträge

Via Hannes Leitlein via Peter Aschoff drauf gestoßen. Kiera Phyo bringt es auf einer Tagung der evangelischen Allianz in England gut auf den Punkt.

Hier versucht es Hannes -und hier ich- unseren Senf zum Umgang mit unserer Generation und den Chancen die sie eigentlich hätte, öffentlich zu der Diskussion rund um das Thema Kirche zu geben.

Vergangenen Januar schrieb ich einen Blogartikel über das Phänomen, warum viele Menschen in den Zwanzigern in Gemeinden auf einmal einfach fehlen. Ich rollte das Feld über meine eigenen biographischen Erfahrungen auf und kam zu dem Schluss, dass Gemeinde vor allem für spezielle Menschentypen (Milieus) gemacht wird und uns eigentlich gestaltungswilligen Mitzwanzigern wenig Raum zur Gestaltung zugestanden wird. Hannes Leitlein, angehender Kirchengestalter, hat nun einen mutigen Artikel für Christ&Welt geschrieben, in dem er diesem Phänomen von Kirche im Allgmeinen anhand des Kirchentags im Speziellen nachgeht. Den Originalbeitrag gibt es auf Hannes Blog zu lesen, das rebloggen ist mir freundlicherweise gestattet.

In meinem Alter hat man auf dem 34. Evangelischen Kirchentag nichts zu suchen. Wir „jungen Erwachsenen“ waren auch in Hamburg nicht vorgesehen, so wie schon vorher in Dresden, Bremen und Köln, und auf dem Ökumenischen Kirchentag 2010 in München übrigens auch nicht. Menschen zwischen 20 und 35 fanden im 600 Seiten starken Programm des Glaubensfestes kaum Angebote, die auf ihr Alter zugeschnitten waren. Verantwortung und Gestaltungsspielraum wird in Großinstitutionen nur selten an Menschen unter 40 abgegeben. Wir kommen nicht vor. In der Kirche nicht und auch nicht auf dem Kirchentag.

Die meisten von uns verabschieden sich aus der Kirche schon während ihrer Jugendjahre. Einige engagieren sich als Gruppenleiter, aber spätestens mit 19 ist Ende Geländespiel. Den Ton geben die 50-Jährigen an, die sich als „junge Erwachsene“ empfinden. Auf dem Kirchentag sind viele aus dieser Altersgruppe im „Zentrum Jugend“ damit beschäftigt, die Jüngeren zu bespaßen. Sie organisieren Gottesdienste, schmeißen Partys, verwalten die Unterkünfte, geben Konzerte. Das Ganze gleicht einem riesigen Småland, aus dem aber nicht die Kinder im Bällebad abgeholt werden wollen, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn irgendwann sind sie dann doch fürs Zentrum Jugend zu alt. Sie verschwinden und hinterlassen eine Lücke, auf dem Kirchentag und in den Gemeinden. Die Themenvielfalt kann nur mühsam verbergen, dass es keine Altersvielfalt gibt.

Irgendwann tauchen die Konfirmandinnen und Konfirmanden von damals wieder in der Gemeinde auf. Wenn sie heiraten, ihre Kinder getauft oder die Eltern beerdigt werden sollen, sprechen sie im Pfarrhaus vor. Der lädt sie in die Gemeinde ein, zum Gottesdienst. Aber wohin mit dem Kinderwagen? Ein Gangplatz ist nötig, denn wenn der Nachwuchs schreit, sind kurze Fluchtwege gefragt. Wickeltisch? Die Kirche hat ja nicht einmal eine Toilette. Angebote in der Woche? Leider Fehlanzeige. Schon gar, solange noch kein Nachwuchs da ist. Dann greift kein Mutter-Kind-Kreis und kein Elternzeit-Treff. Erst wenn sie es ins bürgerliche Establishment geschafft haben, kann die Gemeinde wieder mit ihnen rechnen. Und der Kirchentag. „Statt Ostermärschen kultiviert man heute Kirchenbesuche“, schreibt die Soziologin Cornelia Koppetsch über die neue Bourgeoisie. Auch der Kirchentag ist eine Ersatzdemo. Hier zeigt die Generation 40 plus, was gut ist. Sind die Neubürgerlichen erst mal so weit, weiß ihnen die Kirchentags- App wieder weiterzuhelfen. Vorausgesetzt sie können ein Smartphone bedienen. Damit finden sie im Nu Tausende Veranstaltungen, Vorträge, Podien und Bibelarbeiten. Alles zugeschnitten auf ihre Interessen. Sie finden Veranstaltungen zu allen Themen ihres Lebens. Egal, was sie gerade beschäftigt: Es ist für jeden und jede etwas dabei.

Der Protestantismus sieht wegen der vielen Helfer auf Kirchentagen jünger aus, als er im Alltag ist. Pfadfinder, die traditionell die Ordner auf Kirchentagen stellen, sind im Alltag der Gemeinde eher selten. Wer in einer Straßenumfrage das Gesicht des Protestantismus identifizieren will, bekommt garantiert von der Mehrheit einen Namen genannt: Margot Käßmann. Das ist das Ergebnis des evangelischen Margot-Merchandisings. Ausdauernd wird die Theologin und Reformationsjubiläumsbotschafterin auf ihrem Posten gehalten. Sie ist und bleibt die Hoffnung der jungen Kirche. Weltliche wie kirchliche Buchläden haben gleich mehrere Neuerscheinungen in verschiedenen Verlagen von ihr im Schaufenster und neben der Kasse. Damit läuft sie in der Anzahl ihrer Veröffentlichungen sogar Anselm Grün, dem katholischen Lieblingsautor der Protestanten, den Rang ab. Wenn Margot kommt, wird das Schild „Halle überfüllt“ oft schon eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn angebracht. Sie ist die protestantische Ikone, an der sich die protestantische Ü-40-Party orientiert. Aber es muss doch möglich sein, jemand Jüngeres als Margot Käßmann und Eckart von Hirschhausen aufzutreiben, der außerdem katholisch ist! Wo sind die Marina Weisbands des Protestantismus? Die Gemeinden altern schneller als der Bevölkerungsdurchschnitt. Die Führungsebenen der Kirchen ebenfalls. Ein einziges Mitglied des 15-köpfigen Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Mathematikerin Elke Eisenschmidt aus Magdeburg, ist jünger als 45. Die meisten Bischöfe in der Führung der Kirche sind bald Rentner. Der Ratsvorsitzende ist es jetzt schon. Aber keiner von ihnen gibt seinen Sitz im Leitungsgremium auf.

Obwohl Margot Käßmann fast so alt ist wie der Kirchentag selbst, gehört sie mit 54 Jahren noch zu den Jüngeren in der Verantwortungselite. Die Gremien, die den Kirchentag vorbereiten und verantworten, sind eher in der Nähe des „Zentrums Älterwerden“ angesiedelt als im „Zentrum Jugend“. Selbst im Vorbereitungsteam des Letzteren sitzen nur wenige, die sich nicht mehr an die erste Mondlandung erinnern können. Viele von ihnen haben ihre persönliche Geschichte mit dem Kirchentag zu erzählen. Nur 19 Prozent der Kirchentagsgäste in Hamburg waren über 60 Jahre alt. Die 35 Mitglieder im Präsidium des Protestantentreffens, 22 davon mit einem oder mehreren Doktortiteln, spiegeln die Alterszusammensetzung der Besucher kaum wider. Immerhin sind zwei Mitglieder des Jugendausschusses ständige Gäste im Präsidium. Dieser soll seit 2005 den Kirchentag jünger machen. Gedacht wird dabei aber wieder vor allem an die Jugendlichen. Auch hier sind die Mittzwanziger mit den Fragen von pubertierenden Teenagern beschäftigt.

Wer nicht zumindest erste graue Haare oder einen Titel vorweisen kann, hat in der Verantwortungsebene der evangelischen Kirche noch immer nichts zu sagen. Und das, obwohl ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter 30 Jahre alt ist. Diese jungen Leute machen etwas her, wenn die Fernsehteams Bilder eines fröhlichen Glaubensfestes suchen. Was die Katholiken als Weltjugendtag feiern, können wir schon längst, soll das heißen. Ganz ohne Papst. Jelena Auracher ist eines dieser jungen evangelischen Gesichter.

Die 23-jährige Studentin aus Essen hatte die Ehre, im Abschlussgottesdienst des Kirchentages vor mehr als 100 000 Menschen Gebete und Texte abzulesen. Bei der inhaltlichen Vorbereitung des Gottesdienstes wurde jedoch nicht sie, sondern wieder ältere Semester einbezogen. Dementsprechend war der Gottesdienst vor allem für Menschen interessant, die ihn von zu Hause mit ihrem noch gut erhaltenen Transistorradio verfolgten.

Menschen ohne graue Haare und Doktortitel finden selbst mit der Suchmaske der Kirchentags-App – nichts. Na ja, fast nichts. Immerhin gab es das „Wohnzimmer“ – „ein Ort, an dem Jugendliche und [sic!] junge Erwachsene nach langen Kirchentagstouren pausieren können“. Ein anderer graufreier Raum soll die tägliche Twitter-Bibelarbeit gewesen sein, bei der es möglich war, sich über den Kurznachrichtendienst live zu beteiligen. Die Möglichkeiten für junge Erwachsene erstreckten sich von Chillen bis Liken.

Ganz leer gingen die Twenty some – things also nicht aus. Es gab ja auch noch großartige Konzerte. Die Band Sea & Air zum Beispiel, die nach eigenen Angaben den Sommerhit für das Jahr 2017 liefert. Und selbstverständlich ist auch eine Bibelarbeit mit Fulbert Steffensky nicht erst im hohen Alter erquickend. Im Gegenteil! Es gibt Dinge, die auf einem Kirchentag nicht fehlen dürfen. Die Weisheit und Lebenserfahrung des alten Lehrers würde sich gut mit den frechen, mutigen und manchmal auch naiven Fragen von jungen Erwachsenen verstehen.

Und was wäre der Kirchentag ohne Fritz Baltruweit? Oder ohne die Wise Guys, die inzwischen in Sachen Kirchentagserfahrung auf jeden Fall in dessen Liga spielen. Wer sollte die Stadt mit „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ beglücken, wenn nicht die Posaunenchöre? Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder und ihr Engagement sind unverzichtbar.

Nicht, dass die Älteren uns Jüngeren nichts zu sagen hätten. Austausch, Dialog und Auseinandersetzung kommen aber nur zustande, wenn die Älteren den Jüngeren Plätze überlassen. Gremien und Podien müssen verjüngt werden. Der Kirchentag könnte Jung und Alt ins Gespräch bringen. Jung kann von Alt viel lernen. Alt kann Jung viel mehr zutrauen. Die Laienquote schreibt jetzt schon vor, dass mindestens 50 Prozent eines Gremiums nicht hauptamtlich in der Kirche tätig sein sollen. Dazu könnte eine weitere Quote festlegen, dass mindestens 50 Prozent der Mitwirkenden unter 35 Jahren sein sollten. Das würde Alt vielleicht die Entscheidung erleichtern, ein Amt nach einer gewissen Zeit an Jung abzugeben. In einem „Zentrum junge Erwachsene“ könnte gezielt Fragen und Themen nachgegangen werden, die in diesem Lebensabschnitt relevant sind. Wir hätten die Möglichkeit, Inhalte zu setzen. Eigene Formen könnten gefunden werden. Der Kirchentag könnte einen Raum eröffnen, in dem junge Erwachsene ihre Ideen von einer protestantischen Spiritualität entdecken und entwickeln.

Ein Austausch auf diesem Feld ist überüberf.llig. So mancher Vorbehalt, den unsere Generation kaum nachvollziehen kann, müsste dann nicht erst überwunden werden. Gottesdienste könnten gefeiert und entworfen werden, die zu unserer Kultur und unserem Leben passen. Die Bibel muss neu übersetzt werden in unsere und aus unserer Lebenswirklichkeit.

Die Kirche für alle verzichtet auf sehr viel und sehr viele. Eine wichtige Gruppe von Menschen kommt in der Kirche nicht vor. Unsere Energie, unser Wille zur Veränderung wird ignoriert oder kommt nicht zum Zuge. Braucht ihr uns wirklich nicht?

Ich habe es ja ehrlich versucht… Ich wollte, dass es ganz anders kommt, wollte einen Unterschied machen… Vorsätze, Ansätze und Wollen war da- und nun bin ich doch ganz genau so einer geworden. Aber der Reihe nach:
Vor 2,5 Jahren zog ich in die Millionenstadt Köln. Nach einem Jahr im Dienste der evangelischen Kirche sah ich mich in einer Übergangszeit zwischen zwei Jobs nach Gemeinden um, die man besuchen könnte. Ich wusste bereits vom mysteriösen Verschwinden der Twenty-Somethings aus Gemeinden; kannte die Statistiken, die von der statistischen Verweiblichung der Gemeinden Zeugnis ablegten. Aber in einer mondänen, lebendigen Stadt wie Köln, voller junger Menschen, musste es doch auch andere Beispiele geben.

Die gibt es eigentlich auch. Es gibt Gemeinden, in denen sich eine beachtliche Anzahl Twenty-Somethings tummelten. Auch männliche… Aber wäre es so einfach gewesen, wäre dieser Artikel hier zu Ende. Ist er aber nicht, weil einfach manchmal auch einfach einfach ist. Ich lege gar nicht sooo viel Wert auf die Predigt und bin es auch gewohnt, progressiver zu denken als die „übliche“ Freikirche von nebenan. Das sind eigentlich keine Gründe an denen es bei mir scheitert. Inspirierende, tiefgründige und vielschichtige Predigten wären toll- jedoch das ist kein besonders bestimmendes Kriterium für mich bei der Gemeindewahl. Aber wenn das Weltbild schon sehr eindimensional ist, vieles monokausal statt komplex dargestellt wird und man von irgendwas den Eindruck vermittelt bekommt, das sei auch schon immer dort so gewesen, dann zieht mich das nicht an. Auch wenn ich vielleicht mit vielen Menschen meines Alters dort Kontakt haben könnte.

Ich fand dann zu einer recht kleinen Gemeinde. Mit Freunden war ich mir einig, dass für uns dort das Wichtige war, was nach den Gottesdiensten geschah: die Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen. Also echte Begegnung- nicht bloß Smalltalk. Auch wenn die Gottesdienste eher wenig ansprechend waren und gefühlt alles auf junge Familien zugeschnitten und von diesen maßgeblich bestimmt wurde, so war das „die Gemeinde meiner Wahl“.
Für einen Zeitraum.
Weil irgendwann war ich auch öfters wieder der einzige männliche Mit-Zwanziger, zumindest der einzige Unverheiratete. Es gibt schlimmeres als unter Frauen des gleichen Alters zu sein, aber gleich und gleich gesellt sich halt manchmal auch gerne. Das war vielleicht der erste Knacks. Der zweite kam, als irgendwann die Gottesdienst-Lokalität gewechselt wurde. Weg von einer coolen, gut angebundenen Jazz-Konzert-Location hin zu einer schlecht erreichbaren (wenn man kein Auto hat) Räumlichkeit in einem alten Gebäude im gefühlten Windschatten der Stadt. „Die Kinder hatten keinen Raum“ und man musste mit ihnen eine Straße weiter…
Als urbaner, junger Mensch geht es mir, ich gebe es gerne zu, um gute Erreichbarkeit. Ich bin lauffaul: wenn ich schon 15 min Straßenbahn fahre, dann möchte ich nicht auch noch einmal dieselbe Zeit laufen müssen. Und ich will nach dem Gottesdienst vielleicht noch weiter in ein Café oder Restaurant- und nicht erst noch recherchieren müssen, ob es das in der Umgebung gibt.

Nun bin ich also auch so einer der verschwundenen Mit-Zwanziger geworden: Zugezogen, interessiert, aber nicht fündig geworden. Nicht andocken gekonnt bzw. vor allem gewollt. Ich schlafe Sonntags nun zumeist aus oder frühstücke mit Freunden. Der ‚Presseclub‘ um 12 Uhr ist meine einzige Konstante am Sonntagvormittag. Will ich geistigen Input oder meine Dosis Sakrales, gehe ich in den Gottesdienst der Landeskirche bei der ich im Kirchenbuch stehe, oder an einen Ort, an dem ich Spiritualität persönlich für mich selber verorte: z.B. das Rheinufer, der Dom oder der Kirchenraum meines Arbeitgebers.

Statistisch müsste es eigentlich echt viele von uns geben. Erst recht in Köln. Wie kommt es, dass wir nirgends hängen bleiben? Wobei wir es doch wollen?

Liegt es an unserer Generation, die mit immer neuen Wort-Anhängseln beschrieben wird? Die Generation Web2.0, Generation Krise, Generation Y, Generation Man-sollte-mal, Generation Schmerzensmann, Generation Maybe. Können wir uns nicht gemeindlich binden, wenn es nicht die Gemeinde ist, in der wir aufgewachsen sind? Sind wir generell zu unverbindlich? Vom Überangebot abgestumpft? Oder ist unser Lebensraum, soziales Gefüge und Sinnsuche durch die digitale Welt verlagert? Von dem allem bestimmt ein wenig zu bestimmten Teilen. Vor allem würde ich aber zwei andere Antworten geben: Sinus und Chancen.

Ich stelle immer wieder fest: die Menschen meines Alters, die sich in den mir bekannten Gemeinden tummeln, haben zumeist nicht nur eine andere Biografie, sondern auch einen anderen Musikgeschmack, andere Interessen und andere Gesprächsthemen. Manchmal ist das Y-Chromosom und der fehlende Ring am Finger schon ein Alleinstellungsmerkmal- im Alltag ist die Situation genau umgekehrt. Und tatsächlich: Menschen, mit denen ich mehr Schnittmenge habe, (nicht nur von meinen sozialen Daten) sind eher ausserhalb von Gemeinden zu finden. Wie kann das sein? Ich finde hier das Wort Kultur wichtig. Weil jede Gemeinde hat eine eigene Kultur. Da ich den freikirchlichen Raum erst mit 19 Jahren kennen lernte, stellte ich als ‚Systemfremder‘ dies sehr schnell fest. Zuerst an der Art zu beten, zu reden, mit der Bibel umzugehen, dem Musikgenre und der -auswahl. Später auch an den Interessensschwerpunkten, Gesprächsthemen, Werten.

Und irgendwann lernte ich das Bauch-Gefühl soziologisch zu belegen: Milieus. Enteilung der Bevölkerung nach Bildungsgrad und (Einkommens-)Schichtzugehörigkeit in Verbindung mit individuellen Werten, Interessen und Lebensstilen. Es ist zugleich erschreckend und lustig, eine teilweise haargenau zutreffende Beschreibung seiner selbst zu lesen. Aber auch eine Beschreibung „der anderen“ zu finden, die sich in Gemeinden tummeln- sowohl derer, die in meinem Alter sind, als auch derer, die das Gemeinde-Klima bestimmen. Laut dem Sinus-Institut gibt es in Deutschland unter Erwachsenen 10 unterschiedliche Milieus– lediglich 3-4 werden von (Kirchen)Gemeinden erreicht. Bei Jugendlichen und Jungen Erwachsenen ist die Lage nochmal unterschiedlich, die Tendenz jedoch bleibt: nur wenige ‚Typen‘ versammeln sich üblicherweise in Gemeinden. Der Rest merkt, dass die Kultur dort anders ist, andere Werte und Interessen das Geschehen bestimmen, fühlt sich als Fremde/r. Oder bringt zudem wie ich noch eine Skepsis gegenüber manchen ‚typischen‘ Sitten und Gebräuchen mit sich.
Wenn wir nicht andocken können oder wollen, liegt das auch daran: für uns wird Gemeinde nicht gemacht. Wir sind nicht „Zielgruppe“. Jetzt würden viele wieder bestreiten, dass es etwas wie Zielgruppenausrichtung in Gemeinden gäbe, aber danach wieder Termine, Inhalte, Schwerpunkte, Lieder, Musikstile, etc. nach eigenem Gutdünken auswählen. Den Verantwortlichen der beiden Volkskirchen ist das schon länger bewusst und es gibt bereits sehr sehr gutes Material, welches die Milieus auf ihre Vorstellungen von Kirche abklopft und Möglichkeiten der Gestaltung aufzeigt. Bisher tut sich in diesem Bereich der Gemeindelandschaft jedoch leider auch wenig.

Ironischerweise würde ich die Lage aber auch gleichzeitig so einschätzen: hätte sich ein Pfarrer oder Pastor echt um uns bemüht; uns Chancen gegeben, Dinge anders zu machen, uns auszuprobieren- ich wüsste einige Personen, die sich zu diesen Gemeinden verorten würden. Aber ich wurde nie mit anderen, die „so sind wie ich“, eingeladen, uns wurde nie die Möglichkeit eröffnet Sachen von uns für uns zu entwickeln. Wir dürfen uns immer nur dazugesellen, anpassen und im besten Fall mitarbeiten. Aber mitsprechen? Auch mal Dinge anders machen? Frei nach Einstein: Probleme werden nicht mit der selben Denkweise gelöst, mit der sie entstanden sind. Will man uns ‚fehlende Generation‘ wiedergewinnen oder uns Haftungspunkte geben, geht das nicht mit dem Angebot von bisher, welches scheinbar nicht wirkt (…für uns! Für andere schon!). Ja, wenn wir statt dem 10 Uhr Gottesdienst bspw. ein „gottesdienstähnliches Mittagessen“ gestalten würden, würden wir wahrscheinlich nicht zur morgendlichen Veranstaltung kommen, das stimmt. Aber wir würden wenigstens kommen…

Eine Studie ging einmal der Gefühlslage der Generation zwischen 19-29 nach. In der Zusammenfassung besagter Studie steht Folgendes:

Neben der hohen Mitarbeit und dem Bedarf Probleme offen zu diskutieren, suchen junge Erwachsene vermehrt die Mitsprache innerhalb der Gemeinde. Im Vorfeld hat sich gezeigt, dass Mitbestimmung in der eigenen Gemeinde sehr wichtig für jE ist. Dazu gehört auch, dass jE die Möglichkeit haben, eigene Ideen in Gemeinden umzusetzen. Diese Möglichkeit wird wahrgenommen, wenn jE wissen, dass ihre Kritik/Meinung von der Gemeindeleitung ernst genommen wird und sie somit auch als Teil der Gemeinde gesehen werden. Neue Ideen werden eher umgesetzt, wenn jE sich in der Gemeinde wohl fühlen. Quelle

Also liebe Pfarrer und Pastoren: schnappt euch die Gemeinde-Touristen, ladet sie ein, esst mit ihnen, hört ihnen zu, gebt ihnen eine Plattform, eine Bühne. Lasst sie kreativ werden. Und vielleicht dürft ihr beim nächsten Willow-Kongress vorstellen, wie ihr es geschafft habt, relevant zu werden für Twenty-Somethings! 😉
Weil: Uns gibt es! Wir sind zumeist sogar noch darüberhinaus interessiert und willig! Aber wir wollen auch ernstgenommen werden, auch einen Raum für uns haben, anders sein dürfen… Gemeinde ist uns nicht egal, aber sie macht sich leider allzu oft selber für uns egal.