Mit ‘Gottesbilder’ getaggte Beiträge

In den 2 Monaten, seit ‚Pyrotheologie- in 300 Wörtern‚ online ging, ist einiges passiert, welches aus meinen Augen einen zweiten, nähernden Blick rechtfertigt. Unter anderem ging die „offizielle Homepage“ online, die eine Eingrenzung und nähere Betrachtung weitaus erleichtert. In folgenden Beiträgen soll in den nächsten Wochen sowohl eine kritische Einordnung als auch Chancen, Stärken und Schwächen behandelt werden- jeweils in unter 300 Wörtern.

Z20130425-205111.jpgur Beschreibung des Begriffs Pyrotheologie greift die neue Homepage die Metapher des Küstenmammutbaums auf, welcher seine bis zu 1000 Lebensjahre auch dadurch erreicht, dass er von Waldbränden und den Mineralien verbrannter Erde profitiert. Ähnlich versuche Pyrotheologie manche ‚Decke des Glaubens‘ in Brand zu stecken, unter welcher wir die Realität verbergen um uns vor ihr zu schützen. Dies erklärt die Absicht von Pyrotheologie treffend: sie fragt nach der Funktion, die manche Glaubensvorstellung und -konzept für uns erfüllt, ist Religionskritik innerhalb der Religion- in die Theologie assimilierte Philosophie (passend dazu ist der Hauptvertreter -Peter Rollins- Doktor der Philosophie).

Ein ‚Gottesbild mit Funktion‘ ist im Einklang mit Tillich eher ein Götze, als der Gott des Juden- und Christentums. Warum schaffen wir uns funktionale Gottesbilder, vergötzen ergo Gott? Rollins zufolge aus unserer Abhängigkeit nach Sicherheit und Zufriedenheit („Certainty and Satisfaction“), welche er aus dem Lacan’schen Spiegelstadium ableitet. Sich dessen bewusst zu werden, kognitive Verdrängungs- und Fluchttechniken offen zu legen und Gottesbilder sowie Glaubenskonzepte auf ihre Funktion für uns abzuklopfen ist das Hauptanliegen von Pyrotheologie.

What if Christianity does not offer a salvation, that operates within this frame, but instead opens up the possibility of a salvation from this frame? – Peter Rollins, The Idolatry of God

20130425-205036.jpgDabei gehe es nicht darum, Menschen in eine fragmenthafte Existenz zu bringen, sondern aufzuzeigen, dass wir eigentlich alle bereits fragmenthaft sind, aber dies versuchen sowohl zu überspielen als auch vor der Konfrontation damit zu fliehen oder uns Glaubensvorstellungen und Gottesprojektionen erschaffen, die wie eine kindliche Kuscheldecke beruhigend wirken und klar machen sollen, dass die Welt nicht so schlimm sei und das Elter sich kümmere.

In pyrotheology, the good news of christianity is not found in the pursuit of certainty and satisfaction, but rather in […] that what helps us embrace our unknowing, our doubts and dis-satisfaction – Peter Rollins

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Teil 1: Das große Bild
Und im Nachgang ein neues ‚Erklärungs-Video‘ der neuen Homepage

Ich hörte einmal einen Mann davon reden, dass wir alle in unserem Herzen ein Loch haben. Nicht in unserem organischen Herzen, sondern unserem Persönlichkeits-Zentrum. Dass wir alle ein Loch und eine Lücke fühlen, die uns bewusst macht, dass wir nicht komplett sind, und uns dazu bringt, allen möglichen Kram anzustellen um dieses Loch zu füllen.

Betrachtet man sich einige Werbung näher, stellt man fest, dass dieses keine rein spirituelle oder philosophische Feststellung ist, sondern eine Triebfeder unserer Konsumgesellschaft. Viele Werbung verkauft uns das Gefühl, mit dem Erwerb dieses Produktes endlich ankommen zu dürfen, die Suche zu beenden, das Loch zu füllen- und das ganz einfach mit dem Kauf von Eiscreme, Reinigungsmitteln, Sportbekleidung oder Versicherungen.

Wir scheinen etwas in uns zu haben, das uns nach einer Füllung für das Loch in unserem Herzen jagen lässt. Und manche Menschen sehen entweder Gott als Urheber oder aber als Resultat dieses ‚Jagens‘. Als Theologe glaube ich daran, dass Gott mehr ist als die Vollkommenheits-Projektion aus unserer Unvollkommenheit heraus- wobei viele Gottesbilder ihn aber eben darauf reduzieren. Ich glaube daran, dass wir etwas in uns haben, was uns wie eine Art Codezeile auf die Reise schickt und dass dies etwas mit einer Transzendenz oder Immanenz von etwas Göttlichem zu tun hat. Manche Forscher gehen sogar so weit, den Mensch in seiner zeitgeschichtlichen Entwicklung erst als Menschen zu bezeichnen, wenn Religion nachweisbar ist.

Ein orientalischer Poet, der mehr als 2500 Jahre vor unserer Zeit lebte, fand für dieses ‚Loch‘ einmal einen viel kunstvolleren Ausdruck, nämlich ‚Ewigkeit, die in die Herzen gegeben‘ sei. Dieses Loch kann nur durch etwas gefüllt werden, was über uns hinaus geht, sowie ‚Ewigkeit‘ die Dimension eines Menschenleben sprengt. Vielleicht tragen wir ja eine Art Fussabdruck in uns herum, der uns auf die Suche schickt. Ein ‚god shaped hole‘- ein von Gott geformtes Loch, das nur er selber schließen könnte.

Einer der größten Theologen der frühen Kirche spricht einmal davon, dass wir auf Gott hingeschaffen sein und unser Herz unruhig sei, bis es in ihm ruhe. Können wir gar nicht anders, als zu Suchen- uns aber in der Suchrichtung auch oft katastrophal verirren?

In der Populärkultur gibt es ein schönes Päärchen, welches das vielleicht gut illustriert: Wile E. Coyote und der Roadrunner. Seit 1949 flimmert über unsere Bildschirme ein Coyote, der seit diesen mehr als 60 Jahren nur einem Vogel hinterherjagt, der Beep-Beep macht und scheinbar nicht zu fangen ist, so Listenreich es Wile E. Coyote auch anstellt und meistens geht es katastrophal nach hinten los.

Die Figur des Wile E. Coyote ist an die Jagd nach dem Roadrunner gebunden- eine eigene Serie ohne diese Jagd schlicht nicht vorstellbar. Wile E. Coyote ist die personifizierte Suche nach etwas. Seine einzige ‚Daseins-Berechtigung‘ besteht darin, genau diesen Vogel fangen und verspeisen zu wollen. Und dabei lustig zu scheitern. Der Roadrunner ist einfach zu schnell, zu schwierig zu fassen oder hat zuviel Glück.

Vielleicht ist dies auch eine schöne Analogie für die Suche nach dem Auffüllen des Loch im Herzen, wobei der suchende Mensch dann die Rolle des Coyoten einnimmt und Gott das Ziel der Jagd ist. (Womit aber nichts über das Slapstick-Scheitern gesagt sein will. Jede Analogie taugt nur bedingt und hier soll es lediglich um die Rollen gehen)

Vielleicht sind wir ja wie der Coyote und jagen etwas hinterher, möchten es einfangen. Endlich ‚ankommen‘, endlich ‚ruhen‘ können. Und vielleicht sind wir- wie die Rolle des Coyoten vom Zeichner- genau darauf hin geschaffen. Wir kommen um das Suchen nicht drum herum- womit wir das Loch versuchen zu füllen unterscheidet uns untereinander.

Aber vielleicht hilft das Bild von Wile E. Coyote und dem Roadrunner, noch etwas weiteres festzumachen: Wile E. Coyote schafft es (fast) nie, den Roadrunner zu fangen. Ist Gott einfangbar? Ist Gott greifbar?

Jemand soll einmal gesagt haben, die konsequenteste Form von Gott zu Reden ist das Schweigen. Wie kommt diese Person darauf, so etwas zu sagen? Vielleicht, weil Gott eben nicht fassbar, nicht greifbar ist? Und mit Sprache wahrscheinlich erst recht nicht?
Wenn Wile E. Coyote den Roadrunner fangen würde, wäre die Serie zu Ende. Er würde ihn besitzen, er wäre Herr dessen, wonach er so lange trachtete, und könnte darüber nach Belieben verfügen. Es gibt in der Tat eine Episode, in der der Coyote den Roadrunner fängt und sie erweitert ganz passend den eben gedachten Gedanken.

Das einzige Mal, wo Wile E. Coyote den Roadrunner „fangen“ kann, stimmen die Größenverhältnisse nicht. Der Roadrunner ist schlicht zu groß um gefangen zu werden. Ist das nicht ebenfalls ein gutes Bild für den Versuch, Gott einzufangen? Selbst wenn wir es schaffen könnten- die Größenverhältnisse sind so unterschiedlich, dass es uns nichts bringen würde. Ist Gott nicht zu groß, um für uns verwertbar zu sein? Wenn wir Gott einfangen könnten, wären dann nicht wir ‚Herr‘ über unser Verhältnis und nicht das eigentliche Wesen, dem dies zusteht, nämlich Gott?

Schon unsere Sprache, aus der wir unsere Denkbilder ableiten, greift viel zu kurz. Allein schon wenn wir für Gott die Metapher eines ‚Vaters‘ aus den alten orientalischen Texten entlehnen, so haben wir in unserem kulturellen Background mittlerweile das Bild eines Papas aus der Sonntagsbrötchen- oder Brotaufstrich-Werbung, aber nicht das alte, orientalische, patriarchalische. Wir haben wir ein sehr mittel-europäisches Vaterbild vor Augen, welches es erst seit knapp 60 Jahren geben kann, was wohl recht wenig mit dem Sinnzusammenhang zu tun hat, den ein antiker Orientale damit meinte. Wir werden also schon der wahrscheinlichen Wortbedeutung nicht gerecht- wie wenig dann erst dem Subjekt der Beschreibung? Gott kann Eigenschaften von beidem haben, aber beide Verständnisse greifen wesentlich zu kurz- beleuchten maximal eine einzige von unzähligen Facetten. Jedes Bild ordnet Gott unseren Kategorien unter- und ist damit automatisch verkehrt.
Sprache kann Gott nicht greifbar machen oder einfangen, deswegen ist vielleicht tatsächlich die konsequenteste Art von Gott zu reden das Schweigen. Das Problem ist: Gott ist immer mindestens eins weiter gedacht als ich denken kann. Sonst wäre er nicht Gott. In Worten von Paul Tillich ist „Gott über Gott“. Unser Denk- und Sprachrahmen setzt eben Gott einen Rahmen- und wenn er von diesem erfasst werden würde, wäre er nicht Gott. Wir kommen also dahin, dass Gott paradoxerweise beides ist: er ist wie der Roadrunner, uneinfangbar, aber gerade dadurch ist er auch nicht wie der Roadrunner, weil ihn dies einfangen würde.

Gott ist auch nicht in einen „Zweck“ zu fangen: er ist nicht der Geborgenheitgeber, der Garant für Gerechtigkeit oder mein himmlischer Knöpfchendrücker. Gott existiert Zweckfrei. Jedes Bild, jedes Modell zwängt ihn ein, reduziert ihn auf diese Eigenschaften- ist quasi schon von Natur aus blasphemisch. Deswegen verbietet er es ja auch, Bilder anzufertigen. Weil in der Antike vor allem mit Göttern Bilder und Zwecke verbunden wurden.

Ist also die Suche, die Jagd der nahestmögliche Abstand, den ich zu einem unfassbaren Gott haben kann? Ja und Nein.
Denn das Christentum redet davon, dass der unfassbare, unbeschreibliche Gott den himmelweiten Unterschied überwindet und fassbar wird, beschreiblich, mit feststellbaren Eigenschaften.
Jesus ist Gottes sprichwörtliches Entgegenkommen, vielleicht sogar eine Hilfestellung, eine Krücke für unseren Verstand. Ein Etwas, das in Zeit und Raum verortenbar gewesen ist- nicht ein Wesen über dem „Wesen-sein“.

Im Kirchenjahr begehen wir gerade den Advent. Advent lädt ein über beides nachzudenken: was Gottes Entgegenkommen bedeutet- und warum es nötig ist. Wo der himmelweite Unterschied manchmal am engen Horizont vergessen wird- und wo ihn Gott mal gut sein gelassen hat. Warum Warten auf Ankunft mit ständiger Suche zusammenhängt.  Und inwiefern das Löcher füllen könnte oder eben doch nicht.
In diesem Sinne: einen guten Advent!