Über Kuscheltheologie und Fast-Alles-Richtigmacher…

Veröffentlicht: 7. Juli 2013 in Kirche- (m)ein Traum, Uncategorized
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Im Normalfall kriegt man alle 2-3 Monate bei Facebook etwas zum Schmunzeln serviert. Irgendjemandem ist es dann wieder wichtig mitzuteilen, dass die Grünen oder andere einflussreiche Bewegungen nun Begriffe wie Papa oder Mama abschaffen wollen oder irgendwas Christliches verboten werden soll. Normalerweise wird ein Hirngespinst eines Grünen-Politikers aus der fünften Reihe ausgewählt um das Drohszenario der Bekämpfung und Sinnentleerung von „christlichen Werten“ oder der „klassischen Familie“ aufzubauen- was dann aber im Verlauf der Tage und Wochen in sich zusammenbricht wie ein Kartenhaus und sich herausstellt als das, was es ist: ein vereinzeltes, lokales Hirngespinst aus der politischen fünften Reihe. Diesmal hat es jedoch (weniger Anlass zur Erheiterung bietend) die Evangelische Kirche mit ihrer kürzlich veröffentlichten -zugegebenermaßen nicht besonders ausbalancierten- Orientierungshilfe getroffen. (Titel: Familie als verbindliche Gemeinschaft stärken…wie unchristlich!)

Aber statt diesmal nur im besonders verschwörungshörigem Milieu zu verbleiben, schwappte es auf den (neo-)konservativen Mainstream über und entwickelte sich im Internet zu einem regelrechten Shitstorm- der sogar solche Stilblüten trieb, dass Menschen, die sich in aller Regelmäßigkeit über den Spiegel beschweren, eine seiner Online-Kolumnen der Öffentlichkeit bei Facebook empfahlen.  Eine kurze, rein subjektive Webschau:

– Der Generalsekretär der evangelischen Allianz (dem evangelikalen Dachverband) erklärt, dass es mit Ethik in der evangelischen Kirche „nicht mehr weit her ist„.

– Peter Hahne spricht von geistlicher Substanzlosigkeit auf unterstem Niveau.

– Idea kramt sofort einen erz-konservativen Bischof hervor, der die Ökumene bedroht sieht. Pro stößt ins gleiche Horn

– Jemand von der Spitze eines süddeutschen Missionswerk postet seinen 4.000 Facebook-Freunden, dass man sich ja nicht wundern brauche über die rückgängigen Geburtenzahlen, wenn alles nun Ehe heißen dürfe. (Nochmal zur Aufklärung: Homosexuelle können keine Kinder mit dem Partner zeugen…es sind die Heterosexuellen, die hier nicht wie gewünscht liefern…)

– Und natürlich taucht dutzende Male der Öffentlichkeit angepriesen die Spiegel-Online-Kolumne von Jan Fleischhauer auf, der der EKD eine Kuscheltheologie bescheinigt, die der bisherige Höhepunkt der Selbstsäkularisierung sei. Die Kuscheltheologie bestehe darin, dass der EKD „alle gleichermaßen lieb sind“ und sie vor lauter Verständnis auf einen „normativen Einfluss verzichte“.

Mich hat dieser Shitstorm sehr genervt. Nicht weil er lauthals eine Position kritisiert, der ich positiver gegenüber stehe, sondern weil er noch inhaltsloser ist als es der Orientierungshilfe vorgeworfen wird. Das einzige Argument kann man in „das war schon immer so“ zusammenfassen und der Rest sind vielfach verbale Schläge in Richtung Magengrube. Angeblich sei die evangelische Kirche nun so weit, dass sie niemand mehr ernst nehmen würde- sie habe es geschafft sich selber zu säkularisieren. (Wer nimmt eigentlich aus der Bevölkerung Idea-Spektrum, die evangelische Allianz oder Pro ernst geschweige denn wahr??). Es gibt Gott sei dank auch durchaus gute, mit Inhalten unterfütterte Kritik. Aber warum findet die nicht den Einzug in die Facebook-Teile-Welt?
Erst zwei Wochen nach Veröffentlichung der EKD-Schrift tauchte endlich einmal ein Artikel in der Flut der Kommentierungen auf, der sich als erster positiv zum Orientierungspapier äussert. Hauptargument der Verfassenden: das Leben ist vielfältiger und in seiner Vielfältigkeit sollen verlässliche Gemeinschaften von der Kirche gestärkt werden, anstatt ein längst kaum noch intaktes Bild einer gewissen Beziehungsform einzig allein zu erhöhen und alle anderen Formen zu diskriminieren. Menschen, die ihren Lebensentwurf abseits der gesellschaftlichen Norm wählen, dürfen auch in die Erfahrung kirchlicher Segnungen und Beistand kommen.

Oder um die Orientierungshilfe selber mal zu Wort kommen zu lassen:

Die den Kindern Gottes zugesagte gleiche Würde jeder und jedes Einzelnen jenseits von Geschlecht und Herkommen und die erfahrbare Gemeinschaft in Christus in all ihrer Unterschiedlichkeit fordert die vorfindlichen Ordnungen immer neu heraus. Deswegen versteht die Reformation die Ehe als »weltlich Ding«; sie ist kein Sakrament, sondern eine Gemeinschaft, die unter dem Segen Gottes steht. Ihre Aufgabe besteht in der Bewahrung und Weitergabe des Lebens in den vielfältigen Formen der Sorge für andere über die Generationen hinweg. Die kirchlichen Segenshandlungen sind ein Zeichen für liebevolle Zuwendung, für Kontinuität und immer neue Aufbrüche im Bund Gottes mit seinem Volk und damit eine Ermutigung, in allen Veränderungen einen gemeinsamen Weg zu wagen. Angesichts von Brüchen und Versagen sind sie zugleich Ausdruck der Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade. Protestantische Theologie unterstützt das Leitbild der an Gerechtigkeit orientierten Familie, die in verlässlicher und verbindlicher Partnerschaft verantwortlich gelebt wird. – S.13

Das ist also die Kuscheltheologie?! Ihr wird vorgeworfen niemandem Wehtun zu wollen und alle in der Gemeinschaft willkommen zu heißen. Oder um es mit dem neuen Social-Media-Helden Jan Fleischhauer zu sagen: „alle sind ihr gleich lieb: Das treusorgende Paar ebenso wie der Ehebrecher oder die Geschiedene, die vier Kinder von fünf Männern hat.“ Das ist etwas, was mich wirklich am EKD-Bashing gestört hat. Weil zwischen den Zeilen ganz krass ein genauestens umrissenes Bewusstsein von drinnen und draußen, richtig und falsch, im Recht und bewusst im Unrecht mitschwingt. Es wird kritisiert, dass Menschen, die nicht sind wie ich, im Raum Kirche gleichberechtigt mit mir werden sollen. Wie könnte auch die angeführte Geschiedene, die bei allen fünf Partnern gutgläubig meinte, den Richtigen erwischt zu haben, gleich zu behandeln sein wie Herr Fleischhauer, dem unverheirateten Peter Hahne oder den Redaktionen von idea und pro? Zumal sie vielleicht in aller Verliebtheit mit jedem ihrer angenommenen „richtigen Partner“ ein Wunschkind zeugen wollte. Da soll bitteschön schon „normativer Anspruch“ bestehen, der den Kindern des Herrn Fleischhauer auf die Schultern klopft und sagt „Euch hat Gott genau so gewollt!“, aber den Kindern der Geschiedenen klar macht, dass sie der Kirche nicht „gleichermaßen lieb sein“. Wie kann ihre Mutter sich auch in ihrer Lebensführung und Gefühlsleben irren?!

Wäre dies dann das Merkmal von etwas, was keine Kuscheltheologie ist: Bei uns darf sich nicht jeder willkommen fühlen? Diesen Vertretern würde ich nochmal eine Lektüre der Evangelien empfehlen. Oder dass sich Menschen erst verändern müssen von dem wie sie sind, um Gottes Zuwendungen in Form von kirchlichen Ritualen zu erfahren? Auch dort würde ich wieder auf ‚jesuanische Praxis‘ verweisen. Oder bedeutet eine Anti-Kuscheltheologie, dass Ehen und Menschen nicht scheitern dürfen? Oder danach zumindest nicht mehr im kirchlichen Leben im selben Maß teilnehmen dürfen?

Dieses Fingerzeigen auf eine Gruppe, die ein nicht-wir ist, ist das, was mir in den Artikeln am Heftigsten sauer aufstieß. Es ist nämlich ziemlich einfach aus einer Gruppierung der Fast-Alles-Richtigmacher heraus auf die da zu zeigen, die etwas zu lachs nehmen, von dem man selber gar nicht betroffen ist. Die da haben dann eine Kuscheltheologie habe ich in den letzten Wochen gelernt. Oder einen „Zettelkasten des Flachsinns voller banaler Beliebigkeiten aus dem Betroffenheits-Stuhlkreis„. Und die da untergraben wegen denen da die Verfassung in „sträflicher Absicht“. Es sind die anderen, die nicht so sind wie ich, die man auf den Splitter im Auge aufmerksam macht.

Es ist zeitgleich aber keine Kuscheltheologie, wenn man theologische Themen umgeht, von denen man sehr wohl betroffen wäre. Wie zum Beispiel die Aufforderung zu einem einfachen Leben oder der laut Jesus Wiedergöttlichkeit von Reichtum. Ups.
Da müsste ja der ausgestreckte Finger ganz schnell zur eigenen Nase wandern. Anstatt in der Suppe der anderen Mücken auszusieben müsste man sich ja fragen ob man selber nicht Kamele verschluckt. Die Gruppe wohlständiger Heterosexueller müsste auf einmal auch das wohlständig im Licht von Gottes Vorstellungen betrachten- und nicht nur die Heterosexualität, bei der man sich auf der eh schon sicheren Seite wähnt. Aber das hat nichts mit Kuscheltheologie zu tun, weil Kuscheltheologie ja will, dass sich alle zuhause fühlen ohne Reibungspunkte. Die da sollen bei uns Reibungspunkte vorfinden und nicht denselben Stellenwert haben wie wir, die wir fast alles richtig machen, weswegen wir uns ja auch zuhause fühlen dürfen.

Jesus erzählt einmal eine Geschichte über einen Fast-Alles-Richtigmacher und einen, der weiß, dass er Gottes Hilfe bedarf. Während der demütige Zöllner Gott um Gnade bittet, dankt der andere dass er nicht wie dieser sei. (Heutzutage danken wir öfters, dass wir nicht sind wie der Pharisäer aus dem Gleichnis…) Ist es nicht gerade gute evangelische Tradition zu wissen, dass wir alle (Betonung: ALLE!) der Gnade bedürfen? Ganz gleich ob gesellschaftliche Mitte oder Minderheit? Dass wir beides sind: der Scheiterer und der Zeigefingerstrecker? Das Scheitern ein Menschenrecht ist? In den überlieferten Worten von Jesus kommt der bewusst Gescheiterte gut weg- nicht der Fast-Alles-Richtigmacher.

Und so finde ich es gut, dass sich in meiner Kirche Menschen nicht dafür entschuldigen oder schämen müssen, wer oder wie sie sind.

Ich finde es gut, dass ein Mensch in seinem Abweichen von der Norm von meiner Kirche trotzdem als Segnungswürdig betrachtet wird.

Ich finde es gut, dass die Realität des Scheiterns gesehen wird und es im Bewusstsein ist, dass wir alles Menschen zweiter Chance sind.

Ich finde es gut, dass meine Kirche in diesem Prozeß des Scheiterns und im Nicht-Mainstream-Dasein bei den Menschen sein will und sich für sie einsetzt.

Das alles sieht beileibe nicht jeder so und muss es auch nicht. Über die Begründung dieser Punkte und die methodische Sauberkeit, die zu ihnen hinführt, kann man sich gerne ausgiebig streiten. Aber ob es in einem Kreis der Fast-Alles-Richtigmacher nicht kuscheliger zugeht als in der Komplexität des Lebens wird man mal anfragen dürfen.

Kommentare
  1. Ich kann Dir im Grundgedanken weitgehend beipflichten. In den wenigsten der ablehnenden Kommentare, die man so zu lesen bekam, wurde nur annähernd inhaltlich zitiert, was da kritisiert werden sollte. Nicht schön.

    Vor allem muss man sich in diesem (in der Tat meistens ziemlich sinnentleerten) Diskurs immer fragen, was jeweils die Alternative sein soll: Statt Kuscheltheologie lieber Disteltheologie? Statt Gutmenschentum lieber Schlechtmenschentum? Statt sog. Tugendterror lieber Untugendterror (sprich: das Recht des Stärkeren)? Das denken die Kritiker m.E. nie zuende.

    Trotzdem muss man etwas differenzieren, was Fleischhauer angeht.

    Erstens: Ich halte seinem Artikel zugute, dass er zunächst mal eine Kolumne darstellt, der nun mal immer ein gehöriger Schuss Polemik eignet. Man muss sich nur mal seinen Gegenpart, den (nicht nur „im Zweifel“) linken Jakob Augstein durchlesen, bei dem die unschuldige Weltbevölkerung alle paar Wochen unter der neoliberalen Gesamtverschwörung der Politik zusammenbricht, um einschätzen zu können, mit welchen Maßstäben man an einen solchen Text herangehen sollte.

    Zweitens macht er sich insofern nicht mit dem evangelikal-konservativem Lager gemein, als diese ja v.a. die Haltung zur Homo-Ehe kritisieren, die er praktisch gar nicht erwähnt. Was er zunächst kritisieren will, ist die Frage, welchen Wert die Ehe hat, wenn sie nicht mehr „bis dass der Tod Euch scheide“ geschlossen wird. Hier kann man natürlich wieder geteilter Meinung sein, v.a. ist die Frage, ob diese Lesart aus dem von ihm zitierten Text überhaupt eindeutig hervorgeht.

  2. Polemik dieser Art >>der den Kindern des Herrn Fleischhauer auf die Schultern klopft und sagt “Euch hat Gott genau so gewollt!”, aber den Kindern der Geschiedenen klar macht, dass sie der Kirche nicht “gleichermaßen lieb sein” << ist nicht sehr überzeugend.

  3. […] Jona als Mitmenschen gar nicht mehr wahr, nur als anonyme Masse und als Objekte des Zorns. Für Kuscheltheologie hat er keine Zeit. Und weil Gottes Zorn ausbleibt, qualmt nun Jona mächtig vor sich […]

  4. Peter sagt:

    Die Frage ist: Warum wollen Homosexuelle unbedingt in eine Kirche, welche (vorgibt?) einem Gott zu dienen, der Homosexualität „Gräuel“ bezeichnet und ganze Städte (Sodom und Gomorra) wegen eben diesen Sünden vernichtet? Warum entfernt sich eine Kirche von dem Gott, der eigentlich ihr Mittelpunkt ist? Es ist richtig wir sind alle auf die Gnade angewiesen, das heißt jedoch nicht, dass wir tun und lassen können was wir wollen. Die Gnade muss auch in Anspruch genommen werden! Durch sündenbekenntnis und reue! Deshalb reagiert Deutschland mit Kopfschütteln, weil die Kirche Ihren Gott verrät!

    • Harry the Happy Heretic sagt:

      Der Begriff „Gnade“ ist wohl so unglaublich schwach, dass er sich stets auf das Modalpartikel „aber“ stützen muss. Traurig, traurig. Evtl. sollte jemand das lahmende Wörtchen mal von seiner Krücke erlösen …

  5. timski sagt:

    Wie gut Peter, dass du genauestens weißt, was sich Gott denn denkt und uns über den Verrat der EKD aufklärst. Ich finde auch, dass man sich unbiblisch für die Gleichberechtigung der Frau und entgegen die von der Bibel akzeptierte Sklaverei richtet einen ebensolchen Verrat. Wie haltet ihr das so in deiner Gemeinde ganz praktisch um Gott nicht zu verraten?
    Übrigens, Hesekiel bezeichnet die Sünde Sodoms so: „Siehe, das war die Schuld deiner Schwester Sodom: Hoffart und alles in Fülle und sichere Ruhe hatte sie mit ihren Töchtern; aber dem Armen und Elenden halfen sie nicht“.(Hes 16,49) Würde mich interessieren, was alles in deiner Gemeinde an Bemühungen getan wird, um nicht die Sünde Sodoms zu wiederholen. Ihr macht doch bestimmt mehr, als nur eure Sünde zu bekennen, oder?

  6. Benni sagt:

    Nun ja. Das ist ja jetzt nichts Neues. Nur hat sich die althergebrachte Diskussion an der „Orientierungshilfe“ mal wieder neu entfacht. (btw: Das einzige was mich an dieser Orientierungshilfe stört ist, dass es keine [bzw. kaum eine] Orientierungshilfe ist. Die meisten Kritiken dazu fand ich unangebracht, weil sie eine Liberalität unterstellt haben, die die EKD in diesem Papier gar nicht positioniert haben. Im Gegenteil: Mir scheint die „Orientierungshilfe“ positionslos zu sein; viel geschrieben, wenig gesagt. Sich daran wirklich zu orientieren dürfte schwierig werden.)
    Nun aber mal zu den letzten Absätzen. Ja, richtig. Kein Fast-Alles-Richtigmacher hat das Recht sich mit erhobenem Zeigefinger über andere zu erheben. Selbst dann nicht, wenn er wirklich ein Mehr-Als-Der-Andere-Richtig-Macher wäre, was er nicht ist. Er ist höchstens ein Andere-Sachen-Falsch-Macher. Gnade haben wir alle nötig, ohne Ausnahme. Und ich weiß wovon ich rede. Ich bin Pastor und damit wird man von anderen meist für ein (Fast-)Alles-Richtigmacher gehalten. Ich kenn mich aber und weiß, dass ich auch nur ein Mensch bin und damit nicht besser oder schlechter als jeder andere.
    Und ja, wir sind alles Menschen zweiter Chance. Menschen, die eine zweite Chance bekommen. Die Frage ist, ob wir diese Chance nutzen wollen. Oft habe ich erlebt, dass Menschen diese Chance bekommen, sich als Christ bezeichnen, aber innerlich diese Chance ablehnen.
    Ich glaube, dass ein geistgewirktes Leben Menschen verändert und dass ein Leben in der Nachfolge von Jesus ein Leben ist, dass uns ihm ähnlicher machen wird. Ich rede dabei nicht von bestimmten Werten oder von Moral. Ich meine eine innere Haltung. Eine Bereitschaft dafür, sich auf den Weg mit diesem Jesus einzulassen, zu dem man „ja“ gesagt hat. Oft erlebe ich allerdings ein schnelles „ja“ zum Glauben, aber ein klares „nein“ zu dieser Bereitschaft.

    Kuscheltheologie ist für mich eine Theologie der Beliebigkeit. Das kann ich nicht gut heißen. Was du in deinem letzten Abschnitt beschrieben hast, kann man (finde ich) aber beim besten Willen nicht als Kuscheltheologie bezeichnen.
    „…dass sich in meiner Kirche Menschen nicht dafür entschuldigen oder schämen müssen, wer oder wie sie sind.
    …dass ein Mensch in seinem Abweichen von der Norm von meiner Kirche trotzdem als Segnungswürdig betrachtet wird.
    …dass die Realität des Scheiterns gesehen wird und es im Bewusstsein ist, dass wir alles Menschen zweiter Chance sind.
    …dass meine Kirche in diesem Prozeß des Scheiterns und im Nicht-Mainstream-Dasein bei den Menschen sein will und sich für sie einsetzt.“

    All dem kann ich nur zustimmen. Bei vielen scheint die Frage „ist er/sie denn auch würdig dazu zu gehören“ im Hinterkopf zu schweben. Damit wird sehr schnell gerichtet. Und wer ist schon würdig?
    Als Verantworlicher einer Gemeinde begegnet es mir aber auch (fast tagtäglich), dass Menschen ein „ja“ zum Glauben gefunden haben, aber ein konsequentes „nein“ leben und das auch wollen! Typisch unsere Gesellschaft. Alles mitnehmen was geht, darf aber nix kosten.
    Und da fallen mir gerade die unterschiedlichsten Beispiele ein:
    – Jemand in einer Leitungsposition einer Gemeinde, der seit Jahrzehnten in Streit mit seinen Eltern liegt und das auch will. Seit Jahren kein Wort gewechselt. Die Kinder dürfen ihre Großeltern nicht sehen. Diese Person will weiter zornig bleiben.
    – Jemand der mir sagt: Ich will und werde nicht aufhören zu lästern.
    – Familien in Gemeinden, die seit Jahrzehnten zerstritten sind. So, dass die Kinder und mittlerweile Enkel in diesen Streit hinein erzogen werden.
    – Jemand, der seit Jahrzehnten ein Alkoholproblem hat, und noch nie hat jemand mit ihm darüber geredet.
    – Menschen, die ich noch nie ein gutes Wort über ihren Ehepartner habe sagen hören. Aber schon so manches Schimpfwort.
    Kannst du dir vorstellen, wie schwer das ist, als Verantwortlicher einer Gemeinde mit solchen Situationen umzugehen?
    Mein Problem mit Kirche und Gemeinde sind nicht die Menschen, die offensichtliche Schuld, Last, Sünde, … haben. (Die sind mir deutlich lieber als die, die das offensichtlich nicht haben, denn das heißt, dass sie ihre nur verbergen). Sondern die, die sie haben und behalten wollen. Die, die keinerlei Bereitschaft haben, ein Leben in der Nachfolge von Jesus zu leben. Menschen, die sich ihre Fehler schönreden oder damit rechtfertigen, dass mit ihrem „ja“ doch alles beglichen ist, da baucht man jetzt auch nicht mehr an sich zu arbeiten.
    Das ist für mich Kuscheltheologie.

  7. […] noch ein paar weitere Links: Zwei empfehlenswerte Artikel möchte ich besonders hervorheben: 1. Über Kuscheltheologie und Fast-Alles-Richtigmacher… 2. So oder so ist das Leben Außerdem gibt es noch ein aktuelles Interview mit Präses Schneider: […]

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